03.11.2019

Wir brauchen politischen Mut!

Dr. Christoph Fantini, Erziehungs- und Bildungswissenschaften der Uni Bremen, fordert, den Blick über einzelne Berufsfelder hinaus in den ganzen Bereich der Care-Berufe zu richten, aus denen Männer sich sukzessive zurückziehen.

Darf ich mich vorstellen?

Dr. Christoph Fantini ist Lektor im Fachbereich Erziehungs- und Bildungswissenschaften der Uni Bremen mit dem Schwerpunkt Interkulturelle Bildung. Er leitet die Initiative „Männer in die Grundschulen / Rent a teacherman“, ein Kooperationsprojekt der Universität Bremen, der Senatorin für Bildung und Wissenschaft und des Landesinstituts für Schule (LIS). Gemeinsam arbeiten sie an dem Ziel, mehr Männer für das Grundschullehramtsstudium zu gewinnen. Die Arbeitsgruppen Ausbildung, Kontakte und Projekte sowie Imageförderung arbeiten daran, eine größere Wahrnehmung auf den Beruf Grundschullehrer zu lenken und besonders junge Männer dafür zu interessieren.

An welches Erlebnis mit der Koordinationsstelle „Chance Quereinstieg / Männer in Kitas“ denken Sie gerne zurück?

Als das Projekt ziemlich neu war, ich meine 2011, habe ich Tim Rohrmann auf einer Tagung an der Uni Hildesheim zum Thema „Männer in der Grundschule“ getroffen. Ich habe mich sehr gefreut, dass er meine Argumentation für die gezielte Förderung eines höheren Anteils von männlichen Fachkräften auch in Grundschulen, entsprechend unseres Projektansatzes mit „rent a teacherman“ in Bremen, absolut nachvollziehen und unterstützen konnte. Denn bei der Tagung gab es auch Stimmen, die es unangemessen fanden, Männlichkeit in frühen Bildungseinrichtungen überhaupt eine Bedeutung zu geben, und nur die Qualifikation in den Vordergrund stellen wollten. Dabei sollte es wohl selbstverständlich sein, dass pädagogische Fachkräfte optimal qualifiziert sein sollten, unabhängig vom Geschlecht. Doch ebenso sollte Diversität in Bezug auf das „Geschlecht des Lehrkörpers“ selbstverständlich sein.

Genau in diesem Sinne habe ich dann einige Jahre später auch die Beiträge von Michael Cremers bei einer kleinen Konferenz in Hannover auf Einladung der GEW in sehr guter Erinnerung. Denn auch dort gab es Teilnehmende, die Scheu hatten, offen dazu zu stehen, dass man gegen genderstereotypes Denken von Kindern relativ wenig unternehmen kann, wenn man sich nicht um eine Diversifizierung der angebotenen Geschlechtsrollenmuster in frühen Einrichtungen von Erziehung und Bildung durch eine Erhöhung des qualifizierten Männeranteils kümmert. Das Denken von den Vertretern von „Männer in Kitas“ war da wieder erfrischend anders.

Wir haben in den letzten Jahren im Rahmen des Themenfelds „Männer in Kitas“ in Kontakt gestanden. Wie hat sich das Themenfeld in den letzten Jahren entwickelt?

Als es losging mit „Männer in Kitas“ habe ich mich zwar sehr über die Projektidee gefreut – und etwas geärgert, dass ausgerechnet eine CDU-Ministerin den Anstoß geben musste – aber ich hatte gar nicht so viel Hoffnung auf Erfolg.

Inzwischen nehme ich aber, nicht nur zahlenmäßig, sondern auch in Bezug auf ein gewachsenes Bewusstsein eine deutliche Veränderung in diesem Bereich wahr. Die Arbeit der Koordinationsstelle war definitiv erfolgreich! In erster Linie ist das in meinen Augen auf eine starke, zielgruppengerechte Imagekampagne und Interessenvertretung zurückzuführen. Kompliment für diese tolle Leistung!!!

Bedenklich finde ich, dass die Arbeit nicht weitergeführt wird. Reine Netzwerkinitiativen wie „Klischeefrei“ werden nicht ansatzweise so viel bewegen können, wenn es nicht auch Ressourcen für konkrete Projektideen gibt, die man ohne finanzielle Mittel nicht umsetzen kann.

Was braucht es künftig für das Themenfeld „Männer in Kitas“?

Dringend zu bearbeiten wäre der Blick über einzelne Berufsfelder hinaus in den ganzen Bereich der Care-Berufe, aus denen Männer sich weiterhin sukzessive zurückziehen. Da könnte man im ersten Schritt auf alle Bildungs- und Erziehungsinstitutionen schauen, also „Männer in Kitas und Grundschulen“ weiterdenken, aber eigentlich geht es weiter bei Lehramt an sich, Psychologie, Medizin und so weiter. Wenn man diesen Prozess durch eine ähnlich gute Arbeit, wie die der Koordinationsstelle, ähnlich erfolgreich aufhalten könnte, wäre das sensationell und von historischer Bedeutung! Dafür braucht es natürlich politischen Mut und weiterhin gute Ideen. Aber an den Ideen würde es nicht fehlen, wohl eher an dem Mut der Verantwortlichen, denn sowohl der politische, als auch der wissenschaftliche Mainstream-Diskurs ist anscheinend immer noch nicht so offen für solches Weiterdenken in Genderfragen, was dann eben auch konkrete Investitionen und strukturelle Überlegungen zur Erhöhung der Anteile qualifizierter Männer in Care-Berufen zur Folge haben müsste.