„Mann und Erzieher Lernwerkstatt“
Stefan Grösch arbeitet als Fachschullehrer/Klassenlehrer im Bundesmodellprogramm „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“ an der Adolf-Reichwein-Schule (ARS) in Limburg an der Lahn (Hessen). Die Adolf-Reichwein-Schule ist die kooperierende Fachschule für Sozialpädagogik im Projekt der Abteilung Kindertagesstätten des Amtes für Soziale Arbeit der Landeshauptstadt Wiesbaden. Stefan Grösch ist gelernter Erzieher (Quereinsteiger), Sozialpädagoge sowie Master in Psychosozialer Beratung und Sozialrecht. Nach ca. 20 Jahren mit direkter klientenorientierter Arbeit, gelegentlichenSeminaren und Lehraufträgen bekam er das Angebot, an der ARS als Fachschullehrer in der sozialpädagogischen Abteilung (quer) einzusteigen. Aufgrund der eigenen Biografie hat er starkes Interesse am Erzieher/innen-Quereinstieg, aber auch an der Thematik „Männer im sozialpädagogischen Berufsfeld“.
Theo Schäfer arbeitet als Fachschulkoordinator im Bundesmodellprogramm „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“ an der Adolf-Reichwein-Schule in Limburg a. d. Lahn. Theo Schäfer war von 1975 bis 2015 Lehrer an der Adolf Reichwein Schule, die letzten zwölf Jahre in der Funktion des Abteilungsleiters für die sozialpädagogische Abteilung. Seit 2007 koordiniert er die Expertengruppe für sozialpädagogische und sozialpflegerische Berufe des Hessischen Kultusministeriums.
An der Adolf-Reichwein-Schule wurde im Rahmen des Programms Chance Quereinstieg eine „Mann und Erzieher Lernwerkstatt“ eingerichtet. Stefan Grösch und Theo Schäfer berichten über ihre Erfahrungen und haben die Fragen des schriftlich geführten Interviews gemeinsam beantwortet.
Was hat dazu geführt, einen Männerarbeitskreis an der Fachschule für Sozialpädagogik anzubieten?
Wichtig ist die durchaus belebende soziale Wirkung von Männern in der Klasse, wie auch die Diskussionsbeiträge, wenn es zum Beispiel um eigene Erlebenswelten geht. Für die Beschreibung dieser männlich und weiblich geprägten Lebenswelten steht in der Ausbildung jedoch wenig Raum zur Verfügung. Und wenn, dann dominiert die weibliche Sichtweise. Die Motivation, eine „Lernwerkstatt Mann und Erzieher“ einzurichten, basiert auf der Grundannahme, dass (eigene) männliche Lebenswelten auch im Erzieher/innenberuf erkannt werden sollten, und dass diese fachlich integriert werden müssen. Im neu eingeführten Unterrichtsangebot „Mentoring“, was von uns beiden im Quereinstieg durchgeführt wird, wurden „männliche“ und „weibliche“ pädagogische Herangehensweisen im Kita-Alltag diskutiert. Hier keimte dann die Idee zu der Lernwerkstatt. Zudem ist die Geschlechtersensibilität eine wesentliche Vorgabe des Projektes „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“, damit liegt ein Fokus auf der besonderen Situation der Männer in dem traditionellen Frauenberuf „Erzieherin/Erzieher“.
Die Reduzierung auf einen „Männerkreis“ ist unserer Ansicht nach empfehlenswert, um so zum einen Wertschätzung für diese männliche Minderheit zu signalisieren, Empowerment, aber eben auch, um einen „offenen Raum“ für spezifische Männerthemen zu geben (damit behaupten wir, dass es spezifische Männerthemen gibt). Leider war und ist es im Modellprojekt zum Quereinstieg der Fall, dass drei der vier Abbrecher/innen Männer waren/sind. Möglicherweise wäre die eine oder andere Notbremse nicht gezogen worden, wenn zu diesem Zeitpunkt die „Mann und Erzieher Lernwerkstatt“ bereits stattgefunden hätte.
Die „Lernwerkstatt Mann und Erzieher“ wird für alle männlichen Studierenden unserer Fachschule für Sozialpädagogik (FS11/12) klassenübergreifend angeboten. Die Lernwerkstatt findet in der Regel an acht Terminen im Schuljahr, alle zwei bis drei Wochen, für ca. 1,5 Stunden statt. Die Teilnahme ist freiwillig. Angeboten wird sie über die ARS, durchgeführt wird die Lernwerkstatt von uns beiden.
Wie ist diese „Mann und Erzieher Lernwerkstatt“ gestaltet?
Im Schnitt haben bisher sechs Fachschüler an den Terminen teilgenommen, der bisher größte Kreis zählte zwölf Männer. Aus organisatorischen Gründen können nicht alle Studierenden regelmäßig teilnehmen, da parallel Unterrichtsverpflichtung besteht. Die Treffen laufen so ab, dass zunächst ein fachlicher Input eines Lernwerkstatt-Leiters gegeben wird. So zum Beispiel „Gender Mainstreaming“, „Männer in meiner Kita“ oder „Körperliche Nähe in der sozialpädagogischen Praxis“. Dieser Input wird diskutiert und auf die eigene Praxis übertragen. Im Anschluss hieran begeben wir uns zu einer Fallanalyse, das heißt, ein Fachschüler stellt ein eigenes Erlebnis aus der Kita vor, was dann aus einer geschlechtsspezifischen Sichtweise analysiert wird. Die bisherigen Sitzungen wurden sehr positiv aufgenommen, sowohl von den teilnehmenden Studenten, von der Schulleitung wie auch von den übrigen Lehrkräften.
Was spricht aus Ihrer Sicht für einen Männerarbeitskreis in der Fachschule für Sozialpädagogik?
Die Lernwerkstatt rundet unser pädagogisch-methodisches Angebot ab. Um als Mann in einem „Frauenberuf“ gut bestehen zu können, kann es hilfreich sein, wenn „Mann“ sich untereinander austauscht. Dieses gerade dann, wenn Männer aus einer gänzlich anderen beruflichen Sozialisation kommen, etwa aus der KFZ-Branche oder aus dem IT-Bereich. Ganz besonders die Arbeit in einer Krippe wirft dann viele existenzielle Fragen auf und lässt auch oft am Selbstkonzept zweifeln. Das gilt auch in eingeschränkter Weise für ehemalige Sozialassistenten in der Regelausbildung.
Die Studierenden erkennen durch dieses Angebot, dass wir uns als sozialpädagogische Fachschule mit der Geschlechter-Debatte ernsthaft auseinandersetzen, und dass wir diese Auseinandersetzung fachlich und professionell gemeinsam mit den Studierenden führen.
Es scheint jedoch auch Vorbehalte zu geben. Aus den Reihen der Studenten wurde auch vernommen: „Ich habe als Mann keine Probleme, deshalb nehme ich nicht teil“. Trotz des Titels der Veranstaltung „Mann und Erzieher Lernwerkstatt“ ist es uns noch nicht gänzlich gelungen, unsere Männerrunde auf verschiedenen Ebenen – Individuum/Team und Theorie/Praxis – als Gewinn darzustellen. Wir arbeiten daran.
Wie wirkt sich das auf die Ausbildung und die Tätigkeit in der Kita aus?
Uns liegen noch keine expliziten Rückmeldungen aus den Kitas vor. Von den Anleiter/innen kam lediglich positives Feedback auf das Angebot, dass die „Mann und Erzieher Lernwerkstatt“ eingerichtet wird. Die Studenten selbst haben regelmäßig gute Rückmeldungen gegeben, was sich auch in der Teilnehmerzahl, aber auch in den sehr regen und interessanten Diskussionen gezeigt hat. Durch den klassen- und jahrgangsübergreifenden „Männerkreis“ haben sich die männlichen Studierenden zum Teil das erste Mal gesehen und gesprochen; somit hat dieser Arbeitskreis auch die einfache soziale Funktion des Kennenlernens. Sicherlich haben die fachlichen Diskussionen eine Auswirkung auf den weiteren theoretischen Unterricht und möglicherweise auch – was noch zu beweisen ist – auf die pädagogische Praxis. Wichtig erscheint uns Lehrern auch noch die Auswirkung auf uns selbst. Manche Theorie wird relativiert oder sogar in Zweifel gezogen durch die Erfahrungen, die Männer in der Praxis gemacht haben.
Bundesweit gibt es viele Männerarbeitskreise für Erzieher. Allein aus Hessen sind uns acht bekannt. Gibt es dorthin Kontakte bzw. findet ein Austausch statt? Haben Ihre Fachschüler bereits Erfahrungen mit anderen Männerarbeitskreisen gemacht?
Soweit uns bekannt ist, haben zwei Studenten an einem Männerarbeitskreis für Erzieher der Stadt Wiesbaden teilgenommen. Wiesbaden ist für das Thema schon sensibilisiert, weil sie am Vorgängerprojekt: „Männer in Kitas“ teilgenommen hat. Als Durchführende hatten wir bisher keinen Kontakt zu anderen Männer-Arbeitskreisen im Erzieherbereich. Ehrlich gesagt wollten wir zu Beginn auch keinen Austausch haben, da das eigene Konzept ausprobiert, und ggf. selbst revidiert werden sollte. Herr Grösch hat zuvor bereits Erfahrungen in diesem Feld sammeln können. Die Handreichung „Mehr Männer in Kitas ¬ Analysen, Erfahrungen, Strategien“ war für die erste Konzeption sehr gut geeignet. Mittelfristig wird es wohl Austauschtreffen geben.
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