„Es fühlt sich lustig an die Schulbank zu drücken.“
Ulrike Thörner ist 51 Jahre alt und im zweiten Jahr ihrer Ausbildung zur Erzieherin. Sie ist verheiratet und Mutter von vier erwachsenen Kindern. Sie lebt in Kastorf, Schleswig-Holstein. Ihr Ökotrophologie-Studium gab sie vor vielen Jahren zugunsten der Familienplanung auf. Als die ersten beiden Kinder aus dem Haus waren, wusste Ulrike Thörner, dass es Zeit war, wieder etwas für sich selbst zu tun. Sie erfüllte sich ihren Traum, Erzieherin zu werden.
Frau Thörner, wie ist Ihre Ausbildung ausgerichtet?
Ich gehe zur Fachschule für Sozialpädagogik in Bald Oldesloe im Kreis Stormarn. Meine Ausbildungsstelle ist die Kita Guipavasring in Barsbüttel. Trägerin des Projektes „Questo“ (Quereinstieg für Stormarn) ist die AWO Stormarn. Blockunterricht und Praxiszeiten wechseln sich ab. In den kommenden zehn Monaten habe ich Unterricht. Nur in den Ferien wird gearbeitet. Im November beginnt das letzte Praktikum von sechs Monaten in der Stamm- Kita, wo ich schon die ersten drei Monate gearbeitet habe. Das zweite Praktikum fand im Hort statt.
Was braucht es, eine Ausbildung auch für Menschen ab 40plus attraktiv zu gestalten?
Es ist unbedingt wichtig, viel Respekt vor dem Erfahrungsschatz dieser Menschen zu haben. Ich persönlich erlebe das so. Wenn ich bedenke, dass es auch für die Lehrerinnen und Lehrer sehr gewöhnungsbedürftig gewesen sein muss, mit „älteren“ Menschen zu tun zu haben! Ich erlebe sie alle als sehr wertschätzend. Zudem ist es wichtig, bei der Planung der Ausbildung die Lebensumstände der Erwachsenen zu berücksichtigen. Was tun, wenn die Kinder zu Hause krank sind, zum Beispiel? Ein anderes Beispiel: Auf unseren ersten Schultag fiel auch die Einschulung der Kinder. Das war nicht bedacht worden. Die eine oder der andere konnte deswegen nicht dabei sein, weil das Kind eingeschult wurde.
Finden Sie die Ausbildungsinhalte erwachsenengerecht?
Ja. Man muss ja berücksichtigen, dass wir alle unterschiedliche Hintergründe haben und zwischen 23 und 51 Jahre alt sind. Die Lehrenden müssen uns alle auf einen Level bringen und uns dort abholen, wo jede/r einzelne von uns ist. Ich persönlich kann damit gut umgehen. Da kommt mir auch meine Lebenserfahrung zu Gute. Ich weiß, es wird sich schon rund laufen.
Fällt es Ihnen schwer, noch einmal die Schulbank zu drücken?
Nicht so. Es war für mich ein sehr lang gehegter Wunsch, diese Ausbildung zu machen und ich habe dafür so manche Hürde überwunden. Es fühlt sich trotzdem lustig an, man nimmt automatisch wieder die Schüler/innen-Rolle ein, verhält sich ein bisschen albern. Und das, obwohl einige die Rolle ja kennen, wie es ist, vor einer Gruppe zu stehen und etwas vermitteln zu wollen.
Mussten Sie wieder lernen, zu lernen?
Das ging eigentlich. In unserer Ausbildung gab es zu Beginn ein Modul dazu. Ein Aspekt heißt „Lern- und Arbeitstechniken selbstorganisierten Lernens“. So wurden wir erst einmal auf einen gemeinsamen Nenner gebracht. Bei vielen von uns ist die Ausbildung ja sehr lange her. Aber da ich meine Kinder bei ihren Lernprozessen begleitet habe, war mir vieles noch bekannt.
Wie ist es für Sie als ältere Auszubildende in der Kita unter jungen ausgelernten Erzieher/innen zu sein?
Das war anfangs meine große Sorge, ob die Jüngeren damit klar kommen würden. Jetzt bin ich aber in einer Kita untergekommen, wo die Kolleginnen durchschnittlich so alt sind wie ich. Und das ist so eine fantastische Teamarbeit dort. Das ist so positiv und so angenehm für mich!
Die Ausbildung ist ja sehr zeitintensiv. Bekommen Sie eine gute Life-Work-Balance hin?
Inzwischen ja. Im ersten Jahr war es sehr anstrengend, da setzte ich mich unter einen starken Leistungsdruck, sodass Familie und Hobbies nach hinten abgefallen sind. Das lag daran, weil ich – vielleicht auch andere in meiner Klasse – so stolz war, in dem Projekt angenommen worden zu sein. Wir wollten es uns und den anderen zeigen. Mittlerweile kann ich Abstriche machen. In den Praxisphasen ist es noch schwierig, sich einen Freiraum zu schaffen. Während des Praktikums müssen schriftliche Ausarbeitungen angefertigt werden, unter anderem der Praxiswochenbericht. Ich bin froh, dass ich keine kleinen Kinder mehr zu Hause habe. Ich wüsste nicht, wie ich das schaffen sollte. Darum habe ich sehr großen Respekt vor den Müttern mit jüngeren Kindern. Ich habe erkannt, dass mir zwei Termine in der Woche sehr wichtig sind und dass ich auf die nicht verzichten möchte. Und das setze ich um. Das hat mir sehr geholfen.
Können Sie Ihre Berufs- und Lebenserfahrung einbringen und wird sie geschätzt?
Absolut. Besonders in der Kita kann ich es an vielen kleinen und praktischen Dingen festmachen, die ich aus meinem Lebensalltag einbringen kann. Ich finde es dann toll, wenn meine Ideen umgesetzt werden. Die Kolleginnen wissen auch meinen Blick von außen zu schätzen, wenn ich Vorschläge mache, wie etwas anders gemacht werden könnte. Ich bin ja nicht so oft in der Kita und habe da nochmal einen anderen Blick. Ich erfahre dadurch sehr viel Wertschätzung. Das beflügelt mich und ich merke, dass ich hier in der Ausbildung richtig bin.
Sie haben ja bald Bergfest, sind im zweiten Jahr Ihrer Ausbildung und sozusagen im Endspurt. Was erwarten Sie von der zweiten Hälfte Ihrer Ausbildung?
Erst einmal freue ich mich auf das Bergfest, das von der AWO Stormarn organisiert wird. Wir treffen uns Anfang Februar in einer Kita am Lagerfeuer. Für die zweite Hälfte wünsche ich mir, dass insgesamt mehr Ruhe in die Ausbildung reinkommt. Ich hoffe, dass wir noch den letzten Feinschliff kriegen, sodass wir alle Lerninhalte mit Praxiserfahrung füllen können.
Eine letzte Frage; Sie waren ja auch beim Barcamp in Berlin. Was konnten Sie für sich mitnehmen?
Ich fand die Veranstaltung großartig. Es war ein großer Erfahrungswert, diese tolle Methode kennenzulernen, dass die Teilnehmenden selber diesen Workshop gestalten konnten. Partizipation ist ja ein ganz großes Thema in der Erzieher/innen-Ausbildung. Dass wir das selber so umsetzen konnten, fand ich sehr gut. Es haben sich fremde Menschen dort getroffen, die das gleiche Ziel haben und Erzieher/in werden möchten. Sie haben ähnliche Nöte und ähnliche Lebensumstände. So eine Gemeinschaft zu erleben, ist etwas Besonderes. Von ihr ging sehr viel positive Energie aus. Die Themen, die angesprochen wurden, haben mich alle mehr oder weniger auch betroffen. Ich habe mich da sehr gut aufgehoben und verstanden gefühlt.