22.09.2015

Programmstart in Dortmund

Lohnenswerte Herausforderung

Stehen im engen Austausch miteinander (v.l.): Die drei Koordinatorinnen Ursula Hawighorst, Susanne Schmelter und Katja Scheer mit Arnold Bremer vom Gisbert-von Romberg-Berufskolleg in Dortmund. Foto: Johanna Refardt

Für die ersten sieben Klassen in vier Bundesländern ist nach den Sommerferien der Startschuss gefallen: Die Schülerinnen und Schüler haben ihre Ausbildung zum/zur staatlich anerkannten Erzieher/in im Rahmen des Bundesmodellprogramms „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“ (siehe Info-Box „Das Modellprogramm“ in diesem Artikel) begonnen. So auch 22 Männer und Frauen am Gisbert-von Romberg-Berufskolleg in Dortmund.

In einem Boot

Neben der Tatsache, dass der Altersdurchschnitt höher ist als in vielen anderen Fachschulklassen – die Quereinsteiger/innen sind zwischen 24 und 54 Jahren alt - fällt an der Dortmunder Klasse vor allem eines auf: Alle Beteiligten betonen den engen Zusammenhalt der Schülerinnen und Schüler.  „Wir sitzen in einem Boot. Alle bringen schon eine Geschichte mit, haben verschiedene Stärken und Schwächen. Wenn jemand Hilfe braucht, helfen wir uns gegenseitig, da gibt es keine Konkurrenz“, berichtet Quereinsteigerin Katharina Dolny aus dem Schulalltag. Auch in ihrer Kita sei sie von Kolleg/innen und Kindern herzlich empfangen worden. Die 38-Jährige, die vor 20 Jahren ebenfalls am Gisbert-von Romberg-Berufskolleg eine Ausbildung zur Köchin absolviert hat, ist froh, den Schritt in die Erzieher/innenausbildung gewagt zu haben.

Herausforderungen bewältigen

Möglich gemacht hat das unter anderem das Engagement von Ursula Hawighorst. Sie ist Leiterin des Referats Kinder-, Jugend- und Familienhilfe bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Bezirk Westliches Westfalen und hat die Gesamtprojektleitung des Modellprogramms in Dortmund inne. Sie hat sich für die Umsetzung des Modellprogramms in Dortmund eingesetzt. „Wir hatten bergeweise Bewerbungen von Frauen und vor allem Männern, die die Ausbildung starten wollen. Wir hätten mehrere Klassen füllen können“, so Ursula Hawighorst. Sie hat von Anfang an auch die Herausforderungen mitbekommen, die es zu bewältigen galt. Auf Seiten der Auszubildenden ist das vor allem das dreimonatige Pflichtpraktikum in einer Kita, das vor Beginn der Ausbildung absolviert werden muss – und das unbezahlt ist. AWO, Arbeitsamt und die Schüler/innen waren im Gespräch, um individuelle Lösungen zu finden.  Auch die Dienstplangestaltung in den Kitas müsse sich noch einspielen, da die Auszubildenden nur an zwei Wochentagen in der Einrichtung sind. Ursula Hawighorst empfiehlt interessierten Trägern die Teilnahme am Bundesmodellprogramm: „Es herrscht Fachkräftemangel, und diese Art der Ausbildung macht es möglich, lebenserfahrenes und motiviertes Personal zu gewinnen.“ Für ihr Engagement hat Ursula Hawighorst viele positive Rückmeldungen von den Auszubildenden bekommen. Ein Schüler bedankte sich bei ihr: „Sie haben mir den größten Gefallen meines Lebens getan.“

Bereicherung für Ausbildungslandschaft

Arnold Bremer, Bereichsleiter der Fachschule für Sozialpädagogik am Gisbert-von Romberg-Berufskolleg, hat am Berufskolleg bereits Erfahrung gesammelt mit Quereinsteiger/innen und der Praxisintegrierten Erzieher/innenausbildung. „Die Bereicherung für die Ausbildungslandschaft macht sich schon in der Ausbildung bemerkbar“, ist er sicher. Methodisch sei der Unterricht für die Berufserfahrenen „ein anderes Paar Schuhe“. „Das sind gestandene Persönlichkeiten, das muss den Lehrkräften bewusst sein.“ Noch entscheidender als in herkömmlichen Klassen sei es, zu betrachten, welche Erfahrungen die Auszubildenden mitbringen und wie die genutzt werden können.

Verzahnung Kita und Schule

Auf eine enge Verzahnung zwischen Kita und Schule achten Katja Scheer, Klassenlehrerin und Koordinatorin auf Fachschulseite, sowie ihre Kollegin Susanne Schmelter, die für die Koordination auf Ebene der beteiligten Einrichtungen zuständig ist. Susanne Schmelter steht im Kontakt mit allen Kitas und gibt deren Feedback an die Schule weiter. „Praxis- und Schulblick müssen beide vorhanden sein“, so Schmelter. Dabei nutzen die Koordinatorinnen Erfahrungen, die an der Fachschule bereits vorhanden sind: „Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen am Bundesmodellprogramm sind eine eigene Gruppe, aber wir greifen auf das zurück, was sich in der Praxisintegrierten Ausbildung bewährt hat“, erklärt Katja Scheer. Sie ist überzeugt von dem Modellprogramm: „Lebenslanges Lernen wird häufig gelobt und gefordert, aber es gibt zahlreiche Hindernisse in dem Bereich. Mit dem Modellprogramm wird eine wichtige Lücke geschlossen.“

Info
Das Programm in Dortmund

Träger der Maßnahme in Dortmund ist die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Bezirk Westliches Westfalen in Zusammenarbeit mit diversen Kooperationspartnern: Die Unterbezirke der AWO sowie der Eigenbetrieb der Stadt Dortmund FABIDO (Familienergänzende Bildungseinrichtungen für Kinder in Dortmund) stellen die 22 Ausbildungsplätze in ihren Kitas zur Verfügung. Die theoretische Ausbildung findet am Gisbert-von Romberg-Berufskolleg in Dortmund statt. Für die Projektumsetzung wird im Rahmen des Bundesmodellprogramms ein/e Projektkoordinator/in auf Seiten der beteiligten Kitas, ein/e auf Seiten der Fachschulen und eine übergeordnete Gesamtprojektleitung bezuschusst. In Dortmund sind das auf Seiten der Kitas Susanne Schmelter, Katja Scheer für die Fachschule und Ursula Hawighorst von der AWO als Gesamtprojektleitung. In Dortmund werden die angehenden Erzieher/innen in den ersten zwei Jahren jeweils drei Tage pro Woche in die Schule gehen, zwei Tage in die Kitas. Im dritten Jahr soll es einen Tag Unterricht geben, vier Tage in der Woche gehören dann der Praxis. Mit der Prüfung am Ende des dritten Jahres beenden die Teilnehmer/innen des Programms die Ausbildung mit dem Abschluss des/der staatlich anerkannte/n Erzieherin.

Info
Das Bundesmodellprogramm

Das Bundesmodellprogramm „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert. Ziel des ESF-Modellprogramms ist die Implementierung einer erwachsenengerechten Ausbildung zum/zur staatlich anerkannten Erzieher/in, in deren Rahmen die Fachschüler/innen eine angemessene Vergütung erhalten. Diese Ausbildungsform soll zur Öffnung des Berufs- und Tätigkeitsfeldes beitragen und lebenslanges berufliches Lernen ermöglichen. Durch das Programm werden außerdem Voraussetzungen geschaffen, unter denen vor allem Männer ihre im Jugendalter häufig durch Stereotype eingeschränkte Berufswahl modifizieren können. In den kommenden zwei Jahren sollen weitere Klassen ihre Ausbildung starten, so dass bis zum Ende des Modellprogramms im Jahr 2020 drei Jahrgänge die Quereinsteiger/innenausbildung durchlaufen haben werden.  Das zweite Interessensbekundungsverfahren hat gerade begonnen.
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