08.11.2018

Spielräume gewähren

Um die ausgebildeten Erzieher/innen dauerhaft in der Einrichtung zu halten, ist eine intensive Einarbeitung und eine qualitativ hochwertige Arbeit wichtig, damit sie in ihrem Aufgabenfeld Befriedigung finden. Interview mit Ulrike Krieger aus Lübeck.

Foto: privat.

Ulrike Krieger ist Praxiskoordinatorin der KinderWege gGmbH Lübeck im ESF Bundesmodellprogramm „Quereinstieg–Männer und Frauen in Kitas“. Die Erzieherin, die zudem ein Studium in Bildungswissenschaften abgeschlossen hat, engagiert sich seit 2010 bei dem gemeinnützigen Jugendhilfeträger in der Projektarbeit.

Immer wieder wird davon gesprochen, dass Studierende ihre Ausbildung abbrechen. Wie sieht das bei Ihnen aus? Wie viele Menschen haben in den Quereinsteiger/innen-Klassen bislang die Ausbildung abgebrochen? Was waren die Gründe dafür?

In allen drei Durchgängen haben insgesamt acht Personen die Ausbildung abgebrochen. Ein Teil von ihnen fühlte sich den schulischen Anforderungen nicht gewachsen, ein weiterer Teil hat die Ausbildung als SPA (Sozialpädagogische/r Assistent/in) beendet. In Schleswig-Holstein können die Fachschüler/innen und Quereinsteiger/innen nach zwei Jahren einen Antrag auf den SPA Status stellen. Dafür müssen sie innerhalb dieser Zeit zwei unterschiedliche Arbeitsbereiche kennengelernt haben.

Die Gründe für den Abbruch lagen zum größten Teil ebenfalls in der schulischen bzw. allgemeinen Überforderung, aber auch eine beträchtliche Verschuldung in den ersten beiden Jahren wurde als Grund angegeben. Zwei Personen haben die Ausbildung relativ früh aus anderen privaten Gründen abgebrochen.

Insgesamt gab es noch weitere Personen, die zwar aus dem Projekt ausgeschieden sind, ihre Ausbildung jedoch trotzdem beendet haben bzw. beenden werden. Gründe dafür lagen und liegen in den meisten Fällen darin, dass es zu Konflikten mit dem Träger kam, die nicht zufriedenstellend gelöst werden konnten. Diese Quereinsteiger/innen haben bei anderen Trägern, die allerdings nicht Kooperationspartner waren, die Möglichkeit gefunden, die Ausbildung zu beenden.

Was müssten Ihrer Meinung nach die Kitas leisten, um Menschen während der Ausbildung einen guten Lernort zu bieten?

Wichtig sind eine verantwortungsvolle Anleitung durch eine erfahrene Anleitungsfachkraft und eine allgemeine Akzeptanz des gesamten Teams. Die Ausbildung der Quereinsteiger/innen erfordert viel Zeit für eine intensive Begleitung und einen regelmäßigen Austausch, damit der Schule-Praxis-Transfer gelingt. Das Team muss sich seiner Vorbildrolle bewusst sein und sollte sich offen zeigen für eventuelle neue theoretische Erkenntnisse, die von den Quereinsteiger/innen aus der Fachschule ins Team gebracht werden. Das heißt, dass sich die Mitglieder des Teams als „Lernende“ betrachten und neuen Input von außen nicht als Angriff auf die eigene bisherige Arbeit betrachten sollten.

Besonders im 3. Jahr müssen die Quereinsteiger/innen den Spagat meistern, einerseits ein/e ausgebildete/r SPA Kolleg/in zu sein und sich andererseits eben doch noch in Ausbildung zu befinden und weiterhin von den Kolleg/innen beispielsweise auch beurteilt zu werden. Gleiches gilt für das gesamte Team: Einerseits besetzt die/der Quereinsteigende die Stelle einer Fachkraft und ist andererseits nicht vollständig einsetzbar, da die Aufgaben der Schule sehr zeitaufwändig sind und anstehende Facharbeiten bzw. Abschlussklausuren viel Konzentration und Zeit erfordern. Dies erfordert sowohl Rücksichtnahme als auch eine entsprechende Unterstützung durch das Team.

Was müssten die Einrichtungen denn tun, um die ausgebildeten Fachkräfte auf Dauer im Beruf zu halten?

Um die ausgebildeten Erzieher/innen dauerhaft in der Einrichtung zu halten, sind dort meines Erachtens intensive Einarbeitung sowie eine qualitativ hochwertige Arbeit wichtig, damit die Erzieher/innen in ihrem Aufgabenfeld Befriedigung finden. Eine weitere wichtige Aufgabe der Leitungskraft ist es, die Kolleg/innen zu einem gut zusammenarbeitenden Team aufzustellen und ihnen so demokratisch wie möglich, nötige Spiel- und Entscheidungsräume zu gewähren, damit sie sich entfalten können. Insgesamt sollten Einrichtungsleitungen offen für Neues sein und sich gegenüber den neuen Ideen und/oder wissenschaftlichen Erkenntnissen der neuen Fachkräfte aufgeschlossen zeigen. Hierbei ist natürlich auch der Rückhalt des Trägers gefragt, der z.B. das Interesse nach Fortbildungen und Weiterentwicklung der Fachkräfte unterstützen sollte.

Was tut die KinderWege gGmbH, damit die Studierenden dabei bleiben?

Wir haben im Team die Quereinsteiger/innen, die sich in ihrer Einrichtung bzw. bei ihrem Träger aus unterschiedlichsten Gründen nicht wohl gefühlt haben, darin unterstützt, einen neuen Träger zu finden, damit sie im Projekt verbleiben können. Quereinsteiger/innen mit Migrationshintergrund haben wir in schulischen Belangen und insbesondere bei ihrer Facharbeit unterstützt. Dies ist allerdings nur in einem geringen Rahmen möglich, da hierfür weder finanzielle noch zeitliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.

Als Kita-Koordinatorin stehe ich den Quereinsteiger/innen sowie den Einrichtungen jederzeit für Gespräche zur Verfügung. Bei Fragen und/oder Problemen komme ich gerne in die Einrichtung und unterstütze alle Beteiligten bei der Lösungsfindung. Meine Kollegin Melanie Seifert, die als Fachschulkoordinatorin regelmäßig in der Fachschule ist, steht dort den Quereinsteiger/innen zur Verfügung, um Fragen bzw. Probleme auf kurzem Wege zu lösen sowie die Quereinsteiger/innen auch fachlich zu unterstützen.

Einrichtungsabhängig konnten auch Veränderungen in der Arbeitszeit die Belastung von Quereinsteiger/innen mildern. Als Träger bieten wir eine Fortbildung für Anleitungsfachkräfte an – auch für zukünftige.

Ist es nur Aufgabe der Einrichtung, die Menschen im Beruf zu halten, oder gibt es strukturelle Probleme, die verhindern, dass Menschen im Beruf verweilen?

Die Anerkennung des Berufs ist noch immer zu gering. Vor allen Dingen spiegelt sich das nach wie vor in der Vergütung wider. Eine höhere tarifliche Eingruppierung des sozialpädagogischen Bereiches wäre ein wichtiger Schritt für eine bessere Anerkennung des Berufs und könnte sich zudem positiv auf den Fachkräftebedarf auswirken.

Ein weiterer Faktor wird sicherlich das immer stärker werdende Belastungsniveau für die Fachkräfte sein, das sich ebenfalls nicht in der Vergütung niederschlägt. Hinzu kommt, dass zumindest gefühlt immer mehr Kinder mit Wahrnehmungsauffälligkeiten in den Gruppen sind, die einer intensiveren Betreuung bedürfen. Viele Eltern bedürfen einer stärkeren Unterstützung. Für die zuletzt genannten Punkte würden eine Anhebung des Personalschlüssels und adäquate Räumlichkeiten für eine Entlastung der Fachkräfte sorgen.

Die Koordinationsstelle ‚Chance Quereinstieg/Männer in Kitas‘ ruft gemeinsam mit einem Bündnis aus Kitaträgern, Fachschulen und anderen Institutionen zum bundesweiten Aktionstag am 5. Juni 2019 auf. Das Motto ist ‚Klischeefreie Vielfalt in Kitas‘. Sie nehmen am Aktionstag teil, sind Bündnispartner. Was ist Ihr Anliegen?

Eine kritische gendersensible Auseinandersetzung mit bestehenden Rollenklischees gehört zur Unternehmenskultur von KinderWege. Aus diesem Grund haben wir uns bereits im ESF-Modellprojekt „MEHR Männer in Kitas“ für Klischeefreiheit eingesetzt und sind bis heute bemüht, z.B. den Anteil an männlichen Fachkräften weiterhin zu steigern und die Arbeit in den Kitas gendersensibel zu gestalten. Dies auch nach außen zu tragen, war und ist uns stets ein wichtiges Anliegen. Aus diesem Grund ist es für uns selbstverständlich, uns dieser Initiative anzuschließen und an dem Aktionstag teilzunehmen.

Vielen Dank für das Interview!