27.10.2016

„Ein gut gemischtes Team ist eine wertvolle Basis“

Relevant ist der Umgang miteinander. Denn es gibt ja auch Kritikgespräche. Dabei muss man sachlich sein und den Kritikpunkt objektiv und lösungsorientiert besprechen können. Interview mit Karleen Rauch und Patrick Zollinger.

Foto: Tim Deussen. Copyright: Koordinationsstelle 'Chance Quereinstieg/Männer in Kitas'.

Patrick Zollinger ist 51 Jahre alt und macht seit 2015 die Ausbildung zum Erzieher in der Klax-Kinderkrippe „Mäusekiste“ in Berlin. Der gelernte Koch nimmt an dem ESF-Bundesmodellprogramm „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“ teil – und ist der einzige Mann unter 13 Erzieherinnen. Seine Praxisanleiterin ist Karleen Rauch. Die 38-Jährige ist seit 16 Jahren Erzieherin. Im Interview erzählen sie, wie der Wissenstransfer zwischen einer jüngeren Praxisanleiterin und einem älteren Studierenden funktioniert.

Frau Rauch, seit wann sind Sie Praxisanleiterin von Herrn Zollinger?

Karleen Rauch: Ich habe im Juli meine dreiwöchige Weiterbildung zur Praxisanleiterin gemacht und mit Zertifikat abgeschlossen. Ich bin offiziell seit Beginn dieses Schuljahres, also seit ungefähr drei Wochen, in dieser Einrichtung verantwortlich für die Auszubildenden und Praktikantinnen und Praktikanten. Ich habe aber auch vorher schon Praxisanleitung gemacht und die Auszubildenden begleitet.

Wieso haben Sie die Weiterbildung gemacht?

Rauch: Ich wollte mir neues Wissen aneignen, mit dem Ziel, die Auszubildenden zu unterstützen, zudem habe ich die Voraussetzungen erfüllt, die Schulung bei Klax machen zu können. Ich bin Erzieherin, Klax-Pädagogin, Bezugsgruppenerzieherin und hatte schon Erfahrungen mit Praxisanleitungen.

Herr Zollinger, Sie arbeiten ja erst kurz mit Frau Rauch zusammen. Was schätzen Sie an ihrer Arbeit?

Patrick Zollinger: Ich empfinde sie als sehr ruhig und kompetent. Diese Kombination finde ich wichtig. Sie ist eine, die ich um Rat fragen kann und von der ich mir gerne eine zweite Meinung anhöre. Ich mag ihren Umgang mit den Kindern, weil sie eine ist, die Freude an der Arbeit hat. Das ist für mich sehr inspirierend.

Wie arbeiten Sie zusammen?

Rauch: Auch wenn wir in verschiedenen Gruppen sind, setzen wir uns wöchentlich zusammen, mit Herrn Zollinger und noch drei weiteren Auszubildenden. Wir nehmen uns Zeit für Organisatorisches und dafür, die Lernziele gemeinsam zu erarbeiten. Dazu gehören auch die Lernnachweise, die Herr Zollinger nicht nur in der Schule, sondern auch in der Praxis erbringen muss. Alles, was er lernt, muss er auch dokumentieren. Wir müssen die Lerninhalte aus der Praxis mit denen der Schule abstimmen, sodass alles gut ineinandergreift. Zudem besprechen wir seine Planung, die Durchführung von Projekten und wie er das alles für sein Portfolio dokumentieren kann.

Zollinger: Vorher war eine andere Arbeitskollegin meine Mentorin. Auch mit ihr konnte ich viele Fragen klären. Aber auch Frau Rauch und ich haben uns schon oft unterhalten. Wir hatten oft Aufsicht zusammen. Wir haben uns etwa darüber ausgetauscht, wie bestimmte Situationen zu interpretieren sind. Manchmal schubst ein Kind und da bin ich noch unsicher, wie ich reagieren soll. Da habe ich sie schon, bevor sie meine Praxisanleiterin wurde, um Rat fragen können, wie auch alle anderen im Team. Jetzt stehen wir noch am Anfang unserer Arbeit. Aber wir haben die Chance, alles zusammen zu erarbeiten, sodass wir in regelmäßigen Feedbackgesprächen im Austausch einen Erfahrungsschatz aufbauen können.

Wie viel Zeit verbringen Sie in der Woche zusammen?

Rauch: Wir haben zwei Stunden in der Woche für die Auszubildenden bekommen. Die Praxis wird zeigen, ob das auch wirklich so reicht und umsetzbar ist, da die Kinder an erster Stelle stehen.

Herr Zollinger: Ihre Praxisanleiterin ist eine jüngere Frau. Wie ist das für Sie?

Zollinger: Ich muss sagen, dass das Alter keine allzu große Relevanz hat. Auch in der Schule sind die Lernbegleiter jünger als ich. Auch damit habe ich keine Schwierigkeiten. Ich denke gerade durch mein Alter kann ich Wissen, Ratschläge und auch Anweisungen gut annehmen. Denn ich habe sowohl Zuhören gelernt als auch Ratschläge anzunehmen. Auch als Mann habe ich keine Probleme unter Frauen und dass meine Praxisanleitung von einer Frau durchgeführt wird. Bevor ich die Ausbildung angefangen habe, dachte ich, es könnte an dem Punkt vielleicht Schwierigkeiten geben. Aber ich habe weder wegen Alter noch Geschlecht Nachteile im Job. Auch wenn Frau Rauch jünger ist, ist sie doch sehr erfahren. Ich kann das annehmen. Für mich ist es wertvoll, jemanden an der Seite zu haben, den ich jederzeit um Rat oder eine zweite Meinung fragen kann, wenn ich unsicher bin.

Rauch: Meiner Meinung nach kommt es nicht aufs Alter an, sondern auf den Menschen und die Persönlichkeit dieses Menschen. Zudem gibt es auf einer anderen Ebene den gleichberechtigten Austausch von Erfahrung und Wissen, weil Herr Zollinger ja auch schon Berufserfahrung gesammelt hat. Würde ich jetzt frisch von der Schule kommen, hätte ich wahrscheinlich Probleme mit der Situation. Aber mit unserer beiderseitigen Lebens- und Berufserfahrung sind wir auf Augenhöhe.

Frau Rauch, können Sie auch etwas von Ihrem Mentee lernen?

Rauch: Die neuen Anregungen, die er aus der Schule mitbringt, sind für unsere Arbeit interessant. Ich kann bestimmt auch von den Erfahrungen, die Herr Zollinger im Beruf gesammelt hat, profitieren – gerade im technischen Bereich. Besonders aufschlussreich ist jedoch, dass ich bei einer Anleitung, auch ganz genau auf mich gucke, wie ich bin und wie ich auf ihn wirke. Selbstreflexion ist mir in diesem Zusammenhang wichtig.

Was zeichnet gute Mentor/innen oder Praxisanleiter/innen aus?

Zollinger: Erfahrungsschatz, einen reifen Umgang mit Situationen und Menschen sowie gute Wissensvermittlung von theoretischen und praktischen Erfahrungen. Denn Wissen kann ich mir auch aus Büchern holen. Wichtig ist, zu erfahren, wie Frau Rauch mit Situationen umgehen würde und was sie mir für meine Fragestellung empfiehlt. Da geht es nicht nur um fachliches Wissen sondern auch um menschliche Erfahrungen. Gerade weil ich noch oft unsicher bin, ist es gut zu wissen, wie jemand mit der Situation umgeht, der die Unsicherheit schon überwunden hat.

Rauch: Relevant ist auch der Umgang miteinander. Denn es gibt ja auch Kritikgespräche. Dabei muss man sachlich sein, an der Sache bleiben und den Kritikpunkt objektiv und lösungsorientiert besprechen können.

Wie reagiert das Team, wenn Sie sich zu Beratung zurückziehen?

Zolllinger: Wenn es gerade brennt, also viel los ist, können wir uns nicht rausziehen. Dann müssen wir den Termin verschieben. Ansonsten werden wir vom Team akzeptiert.

Rauch: Wir müssen uns dann absprechen und einen neuen Termin finden. Denn diese Besprechungen sind wichtig für die Studierenden, die Praxisanleiter/innen, für die Einrichtung und auch für die Schule, weil da ja alle Fäden zusammenlaufen. Der Austausch untereinander ist elementar.

Wie ist es, als Mann in einer Kinderkrippe zu arbeiten?

Zollinger: Mir macht die Arbeit Spaß. Ich glaube auch, dass viele Eltern sich freuen, dass ein Mann da ist, weil es noch wenige Männer in diesem Bereich gibt. Es wäre toll, wenn sich da in den kommenden Jahren noch etwas bewegen würde.

Rauch: Wir haben im Vorfeld darüber gesprochen, weil Männer in Krippen ja noch ungewöhnlicher sind als in Kitas. Aber auch in der Gesellschaft wandelt sich die Rolle des Vaters und die der Mutter. Und das spiegelt sich hier wider. Im Kindergarten ist es gerade für die älteren Jungen und Mädchen schöner, wenn auch Männer da sind. Die gehen einfach anders auf die Kinder zu als Frauen.

Meinen Sie, dass Mentor-Mentee-Tandems homogen sein sollten?

Zollinger: Ich persönlich finde es gut, wenn verschiedene Personen konstruktive Aspekte und Sichtweisen mitbringen.

Rauch: Im Endeffekt kommt es für mich als Praxisanleiterin darauf an, was man aus einer solchen Konstellation macht. Ein gut gemischtes Team ist eine wertvolle Basis nach allen Seiten zu schauen, Neues zuzulassen, um Betriebsblindheit vorzubeugen.