Nachbarn
Darf ich mich vorstellen?
Mein Name ist Alexander Kries. Seit der Eröffnung von infoMann – actTogether asbl im Jahr 2012 arbeite ich als Pädagoge in der vom luxemburgischen Gleichstellungsministerium finanzierten Anlaufstelle für Jungen, junge Männer und Männer. Neben geschlechtssensiblen Angeboten für Jungengruppen (gewaltpräventive und sexualpädagogische Ansätze) und Weiterbildungen für Fachkräfte aus formaler und non-formaler Bildung liegt meine Zuständigkeit bei infoMann auch in der Auseinandersetzung mit spezifischen Jahresthemen, Projekten und Programmen.
Mit dem Thema „Männer in der Kinderbetreuung“ traten wir erstmals 2013 im Rahmen des Internationalen Männertags an die (Fach-)Öffentlichkeit. Der Kontakt zur Koordinationsstelle „Chance Quereinstieg / Männer in Kitas“ intensivierte sich im Jahr 2018 als die Koordinationsstelle die fachliche Begleitung des von unserem Ministerium geförderten Programms „Männer an der ausserschoulescher Kannerbetreiung – Les hommes dans l´éducation non formelle – Männer in der non-formalen Bildung in Luxemburg“ (MadaK) übernahm.
An welches Erlebnis mit der Koordinationsstelle „Chance Quereinstieg / Männer in Kitas“ denken Sie gerne zurück?
Zurückblickend möchte ich die fachliche Begleitung unseres Madak-Programms 2018 durch das Team der Koordinationsstelle insgesamt als berufliches, aber auch persönliches Highlight bezeichnen. Die fachliche Kompetenz, der enorme Erfahrungshintergrund des Teams sowie die Bereitschaft diesen Hintergrund konstruktiv und passend mit unseren luxemburgischen Realitäten zu verbinden, brachte uns in der ersten Programmphase einen riesigen Schritt voran. Die Arbeitstreffen waren spannend, herausfordernd, durchaus auch mal anstrengend, brachten aber immer auch neue Ideen, Lösungen und Ansätze hervor. Der Austausch zwischen den Treffen per Telefon und E-Mail verlief super unkompliziert, war immer schnell arrangierbar und in der Regel recht produktiv.
Besonders gerne denke ich an die Konferenz „Männer an der ausserschoulescher Kannerbetreiung – Les hommes dans l’éducation non formelle des enfants – Männer in der außerschulischen Bildung von Kindern in Luxemburg“ am 21. Juni 2018 zurück, die den vorläufigen Höhepunkt der ersten Programmphase darstellte. Die Resonanz auf diese Veranstaltung war für unsere Verhältnisse in Luxemburg beachtlich, mit einer Vielzahl von positiven Rückmeldungen. Besonders erfreulich waren die vielen Interessenbekundungen, die zum Ausdruck brachten, sich auch in Zukunft mit der Zielsetzung „Mehr Männer in der non-formalen Bildung“ und damit verbundenen Themenfeldern und Fragen beschäftigen zu wollen. Dieses durchweg positive Echo auf das Programm und die Konferenz begünstigte dann sicherlich auch die Entscheidung des Gleichstellungsministeriums, das Programm in einer zweiten Phase bis Ende 2020 weiterfördern bzw. fortführen zu wollen.
Wir haben in den letzten Jahren im Rahmen des Themenfelds „Männer in Kitas“ in Kontakt gestanden. Wie hat sich das Themenfeld in den letzten Jahren entwickelt?
Die Recherche im Jahr 2018 führte schnell zu der Information, dass in Luxemburg bereits in den 1990er und 2000er Jahren Auseinandersetzungen mit dem Themenfeld „Männer in Kitas bzw. der non-formalen Bildung“ stattfanden, diese Ansätze jedoch keine weiteren bzw. nachhaltigen Impulse entfalten konnten.
Im weiteren Verlauf der ersten Projektphase wurde dann auch früh klar, dass die Fokussierung auf „Mehr Männer bzw. eine Erhöhung des Anteils männlicher Fachkräfte“ zu kurz greift und eine ganze Reihe wichtiger Fragen an diesem Ausgangsthema hängen. So kristallisierten sich im Rahmen der eingesetzten Arbeitsgruppe von relevanten Akteuren aus Politik, Ausbildung und Praxis schnell weitere wichtige Themenfelder heraus wie „Berufsbild Erzieher*in“, „Stereotypen: traditionelle Rollenbilder vs. Zielsetzung“, „Vorbehalte gegenüber männlichem Personal: Generalverdacht“, „Standards der Struktur- und Prozessqualität: Schaffung einer regelmäßig aktualisierten Datenbasis zu relevanten Kriterien des Personals“.
All diese Themen bzw. deren Bearbeitung haben eine enorme Bedeutung für das, was in Luxemburg nach Jahren des quantitativen Ausbaus (Stichwort: Betreuungsplatzexplosion) zunehmend in den Fokus rückt: Seit dem Einsetzen eines nationalen Bildungsrahmenplans für die non-formale Bildung werden nun endlich auch verstärkt Fragen der Qualitätssicherung in den Blick genommen.
In der aktuell laufenden, zweiten Programmphase von „Männer an der ausserschoulescher Kannerbetreiung – Les hommes dans l’éducation non formelle des enfants – Männer in der außerschulischen Bildung von Kindern in Luxemburg“ steht erstmals die Entwicklung und Umsetzung konkreter Modellprojekte in Zusammenarbeit mit den Partnern aus Ausbildung und Praxis zu den verschiedenen Themenfeldern an. Auch hier zeichnet sich ab, dass bei vielen Fragen und Aufgabenstellungen das Rad keineswegs komplett neu erfunden werden muss, sondern auf bereits gemachte Erfahrungen in Deutschland sowie existierende Dokumentationen und Materialien – z.B. die acht Themenhefte der Praxis-Handreichungen - zurückgegriffen werden kann.
Die Herausforderung liegt in unserem Fall in einer adäquaten Nutzung bzw. Anpassung an bestehende luxemburgische Situationen. Im Moment nimmt bei uns das Thema „Männer in der non-formalen Bildung“ also erst richtig Fahrt auf. Wir sind gespannt, welche Themen und Inhalte eine besondere Aktualität bzw. Relevanz für die Akteure entwickeln werden und freuen uns sehr, dass uns die Koordinationsstelle auch in der zweiten Programmphase wieder unterstützend zur Seite stehen wird.
Was braucht es künftig für das Themenfeld „Männer in Kitas“?
In Luxemburg sehe ich uns erst am Anfang der Auseinandersetzung mit dem Themenfeld „Männer in der außerschulischen bzw. non-formalen Bildung“. Obwohl es erste Hinweise gibt auf einen – im internationalen Vergleich – verhältnismäßig hohen Anteil männlicher Fachkräfte, existiert bei vielen Akteuren ein nur wenig ausgeprägtes Bewusstsein für geschlechterbezogene Fragen.
Selbst in gemischtgeschlechtlichen Teams, in denen bereits (viele) männliche Fachkräfte pädagogisch tätig sind, hat oft noch keine explizite Reflexion der eigenen spezifischen Arbeitssituation stattgefunden. Das betrifft nicht nur die Akteure in der Praxis, auch auf politischer Ebene fehlt häufig das Bewusstsein und die Sensibilität für Geschlechterfragen.
So wissen wir beispielsweise noch immer nicht wie sich das pädagogische Personal in der non-formalen Bildung hinsichtlich des Geschlechts, aber auch anderer wichtiger Kriterien (Qualifikation, Beschäftigungsumfang usw.) präsentiert, weil von zentraler Stelle kein entsprechendes Datenmaterial erfasst wird. Die Entwicklung einer regelmäßig aktualisierten Datenbasis, um standardisierte und damit vergleichbare Informationen zur Situation des pädagogischen Personals zu erhalten, wird für uns ein Hauptziel in den kommenden Jahren sein.
„Wie lässt sich Qualität steuern bzw. verbessern, wenn die aktuelle Personalsituation nicht bekannt ist?“. Diese Äußerung eines Teilnehmers der programmbegleitenden Arbeitsgruppe macht deutlich, dass eine zentrale Bedingung für die Entwicklung von mehr Prozessqualität im Wissen um die aktuelle Personalsituation in den luxemburgischen Crèches und Maisons Relais bzw. Foyers Scolaires liegt.
Die aktuell größte Herausforderung sehe ich folglich in der allgemeinen Sensibilisierung für Geschlechterfragen, insbesondere bei den nachrückenden Jahrgängen von pädagogischen Fachkräften. Im Moment spielt die Auseinandersetzung mit Gender- und Diversitätsfragen im Rahmen der Erzieherausbildung sowie des Bachelorstudiums quasi keine Rolle! Um diesen Zustand zu verändern, müssten sich die zuständigen (politischen) Entscheidungsträger klar positionieren, die Curricula der Ausbildungs- und Studiengänge einer kritischen Überprüfung unterziehen und um entsprechende Inhalte erweitern.
Gleichzeitig sind wir davon überzeugt, dass ein Programm wie „Männer an der ausserschoulescher Kannerbetreiung – Les hommes dans l’éducation non formelle des enfants – Männer in der außerschulischen Bildung von Kindern in Luxemburg“ auf der Praxisebene eine ganz eigene Dynamik und Attraktivität entwickeln kann, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und auf höheren Ebenen entscheidende Impulse für Veränderungen geben zu können.