Für Gökhan Aydemir beginnt der Quereinstieg
Gökhan Aydemir hat ein Ziel: Der 30-Jährige möchte Erzieher werden. Deshalb war die Begeisterung groß, als er die Zusage für seine Teilnahme am Bundesmodellprogramm "Quereinstieg - Männer und Frauen in Kitas", das aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds geförderdert wird, erhielt. Denn ohne das Gehalt, das im Rahmen des Modellprogramms für die Ausbildung gezahlt wird, hätte er den Schritt nicht gehen können, sagt er ganz klar. Nun hat der gelernte Verfahrensmechaniker und Glastechniker in Dortmund seine neue Ausbildung begonnen.
Sie haben sich entschieden, Ihren Beruf zu wechseln und Erzieher zu werden. Was waren Ihre Beweggründe?
Ich habe Verfahrenstechniker gelernt, aber das war nicht mein Traumberuf. Durch Zufall bin ich im sozialen Bereich gelandet und habe acht Jahre lang als Integrationskraft gearbeitet, mit Kindern mit Autismus und Down-Syndrom. Der Erzieherberuf hat mich schon lange interessiert, doch ich konnte ihn nicht ergreifen – in den ersten Jahren der Ausbildung verdient man ja normalerweise kein Geld, und ich habe schließlich Fixkosten, die bezahlt werden müssen. Deshalb ist es super, dass man im Modellprogramm direkt etwas verdient. Das war für mich die Chance! Und die habe ich direkt genutzt.
Also hätten Sie ohne das Modellprogramm die Ausbildung nicht aufgenommen?
Auf keinen Fall. Das wäre nicht möglich gewesen.
Wie waren die Reaktionen Ihres Umfeldes?
Sehr positiv. Meine Freundin unterstützt mich total. Durch sie habe ich überhaupt erst von dem Programm erfahren. Meine Eltern fanden das erst komisch, mit 30 Jahren noch eine Ausbildung zu machen, aber jetzt sind sie damit auch sehr zufrieden. Und das restliche Umfeld sagt „Endlich! Endlich kannst du das machen“. Denn die wissen, dass ich schon lange Erzieher werden wollte.
Wie lief das Auswahl- und Bewerbungsverfahren? Es gab ja viele Bewerber/innen auf die Plätze des Modellprogramms …
Ich kam im vergangenen Jahr hier zur Schule, habe mich beworben, und hatte dann ein Vorstellungsgespräch bei der FABIDO (einem der beiden Träger in Dortmund, Anmerk.d.Red.). Von denen habe ich eine Absage bekommen. Dann hatte ich noch ein sehr sympathisches und positives Vorstellungsgespräch bei der AWO, und jetzt bin ich bei der AWO!
Wie waren die ersten Tage?
Sehr positiv. Wir haben eine super Klasse, wir halten alle gut zusammen. Wir haben auch eine sehr nette Klassenlehrerin, und ich finde es im Großen und Ganzen richtig schön, mal wieder in die Schule zu gehen. In der Kindertagesstätte war es für mich erstmal ungewohnt, weil ich ja vorher mit Großen, mit Jugendlichen zusammengearbeitet habe. Jetzt betreue ich so kleine Dötze, da muss man ganz anders aufpassen. Aber es ist wirklich super. Die Kindertagesstätte ist toll, die Arbeitskollegen sind total nett, ich wurde sehr herzlich aufgenommen. Ich bin total zufrieden. Ich habe den Schritt nicht bereut, und den werde ich auch nicht bereuen, da bin ich ganz sicher.
Was erhoffen Sie sich von Ihrer Ausbildung und ihrem späteren Beruf?
Ich habe ja schon viele Kinder betreut, aber als das Unternehmen, bei dem ich angestellt war, in finanzielle Schwierigkeiten geriet, war ich als Ungelernter als erstes weg. Nach der Ausbildung bin ich staatlich anerkannt, habe eine sichere Stelle. Und ich kann meine eigenen Interessen einbringen: Ich habe jetzt schon eine Gruppe von acht Kindern, mit denen ich jeden Donnerstag und Freitag Bewegungsaktivitäten mache, und eine andere Gruppe, so fünf, sechs Kinder, mit denen ich an den beiden Tagen trommele. Das waren meine eigenen Vorschläge, die ich einbringen konnte. Ich kann meine eigenen Projekte machen und muss nicht das umsetzen, was mir andere vorschreiben. Das genieße ich, diese Selbstständigkeit, und das war auch mein Ziel.
Wovor haben Sie mehr Respekt oder vielleicht sogar etwas Angst, vor dem praktischen Teil oder der Theorie?
Praktisch mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Aber schriftlich … na ja, man hat da so gewisse Zweifel, wenn der Lehrer sagt, diese Aufgabe muss bearbeitet werden, und wenn man dann nicht direkt mitkommt, muss man das zuhause nochmal nachbearbeiten. Aber wer das will, der schafft das auch. Die Eigeninitiative, etwas lernen zu wollen, die sollte schon da sein. Wir haben ein tolles Klassenklima, der Zusammenhalt ist super. Es gibt verschiedene Gruppen in den sozialen Medien, über die wir vernetzt sind. Wenn mal jemand ein Problem hatte, das ist jetzt schon ein paar Mal vorgekommen, dann schreibt er das in die Gruppe, und direkt gibt es 14, 15 Antworten. Wir boxen uns hier schon gemeinsam durch!
Wenn das jetzt jemand liest, der auch überlegt, diesen Schritt zu machen, aber noch unsicher ist, was würden Sie der Person raten?
Auf jeden Fall! Egal, wie alt man ist, es ist nie zu spät.
Vielen Dank für das Interview!