03.12.2015

Vorurteile abbauen

Katharina Dolny wagt den Quereinstieg

Quereinsteigerin Katharina Dolny freut sich über Diversität in ihrer Klasse. Foto: Johanna Refardt.

Katharina Dolny hat einen großen Schritt gewagt: Die 38-Jährige nimmt teil am Bundesmodellprogramm „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“. Ihre Schürze hat die ehemalige Köchin an den Nagel gehängt, nun lässt sie sich in Dortmund zur staatlich anerkannten Erzieherin ausbilden - berufsbegleitend. In den ersten beiden Jahren der Ausbildung verbringen die insgesamt 22 Quereinsteigenden der Dortmunder Klasse zwei Tage in ihren Ausbildungskitas, drei Tage gehen sie in die Schule. Im dritten Jahr wird es nur noch einen Tag Unterricht geben und vier Tage Praxis. Die schulische Ausbildung findet am Gisbert-von Romberg-Berufskolleg in Dortmund statt. Katharina Dolny kennt das Berufskolleg gut: Hier hat die Mutter von drei Kindern vor 20 Jahren bereits ihre erste Ausbildung absolviert.  Das Programm „Quereinstieg - Männer und Frauen in Kitas“ wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und den Europäischen Sozialfonds gefördert.

Sie haben sich entschieden, Ihren Beruf zu wechseln und Erzieherin zu werden. Was waren Ihre Beweggründe?

Ich habe die letzten sechs Jahre als Köchin in einer Kita gearbeitet. Das war eine offene Küche, das heißt, die wurde auch durchgehend von den Kindern und Erzieher/innen genutzt. Es wurde rundherum gebastelt, gebacken, gefeiert, und zur Mittagszeit war ich dann immer dabei. Ich gehörte also quasi schon dazu. Da hatte ich lange Zeit, mir das alles anzuschauen. Ich fand es sehr interessant zu sehen, wie abwechslungsreich das ist. Durch meine eigenen drei Kinder hatte ich schon immer viel Spaß an der Arbeit mit Kindern. Mich hat auch gereizt, dass man viele eigene Interessen einbringen kann. Dann hörte ich von der Möglichkeit der Praxisintegrierten Ausbildung und der Bezahlung. Sonst wäre das finanziell nicht gegangen, mit der Standardausbildung. Und da dachte ich, versuche ich es doch nochmal mit 38.

Also hätten Sie ohne das Modellprogramm die Ausbildung nicht aufgenommen?

Nein. Das wäre nicht machbar gewesen.

Was sagt Ihre Familie zu Ihrer Entscheidung?

Die finden es gut! Die Kinder vor allem. Die finden es sehr lustig, dass Mama jetzt wieder Hausaufgaben machen muss, und dass ich mir dann auch einen Schreibtisch kaufen musste. Die warten jetzt nur, dass eine schlechte Note kommt! Denn dann darf ich ja mit ihnen nicht mehr schimpfen.

Wie lief das Auswahl- und Bewerbungsverfahren? Es gab viele Bewerber/innen auf die Plätze des Modellprogramms.

Gut! Ich habe meine Unterlagen bei der Schule abgegeben und das wurde weitergereicht an die FABIDO (*). Da durfte ich mich vorstellen und habe die Zusage bekommen. Wir hatten ein Vorstellungsgespräch zu fünft, da wurden Themen vorgegeben, über die wir dann diskutiert haben. Ich habe gehört, dass es viele Bewerber/innen gab und viele abgelehnt wurden, aber das haben wir in der Bewerbungsphase nicht weiter bemerkt.

Wie waren die ersten Wochen?

Also ich finde es sehr gut. Mit der Familie und so, das klappt. Ich hatte so meine Befürchtungen, wie das alles funktionieren würde, da es schließlich Vollzeit ist. Aber ich muss sagen, dass das sehr gut zu organisieren ist. Meine Jungs machen es gut mit. Ich hatte einen sehr positiven Eindruck nach meinem ersten Arbeitstag in meiner Einrichtung. Natürlich habe ich vorher überlegt, wie ist das da wohl, wie klappt das. Aber ich hatte von Anfang an einen sehr guten Eindruck und fühle mich dort sehr wohl. In der Schule auch. Die Klasse ist super nett, wir fühlen uns alle wohl. Jeder kann den anderen verstehen, weil wir alle in einem Boot sitzen. Jeder hat schon eine Geschichte, die er mitbringt.

Wie haben die Kinder in der Einrichtung Sie begrüßt?

Ich bin in einer Gruppe für Null- bis Dreijährige. Für uns alle war es ein Neuanfang, denn das sind alles Kinder, die neu aufgenommen wurden in der Kita. Die waren sehr aufgeregt. Da läuft meine Eingewöhnung parallel zu der der Kinder.

Was erhoffen Sie sich von Ihrer Ausbildung und ihrem späteren Beruf?

Ich habe ja noch einige Jahre zu arbeiten, und ich möchte etwas machen, was mir Spaß macht und wo man sagen kann, ich mache etwas Schönes, etwas Nützliches. Ich kann meine eigenen Hobbys in meinen Berufsalltag einbringen: Basteln mit den Kindern, Sport … Es ist schön zu sehen, dass es den Kindern Spaß macht. Als Köchin hat man mit Menschen wenig zu tun, man ist meistens für sich, höchstens mit den Kolleg/innen zusammen. Das ist etwas ganz anderes. Der soziale Kontakt, das ist mir wichtig.

Können Sie Erfahrungen aus Ihrem bisherigen Beruf einbringen?

Bestimmt! Mit den größeren Kindern werde ich in Zukunft sicherlich gemeinsam kochen und backen, mit ihnen über gesunde Ernährung sprechen. Oder Kräuter sammeln, ihnen Gewürze vorstellen, so etwas.

Spielt das Thema Geschlecht in Ihrer Ausbildung eine Rolle?

Wir waren in unserer Klasse sehr positiv überrascht, dass die Hälfte der Studierenden männlich ist. Diese Mischung bringt verschiedene Sichtweisen mit sich, andere Themen und Lösungsansätze.
Ich hoffe, dass man in der Zukunft geschlechterunabhängig agiert, die Menschen als Person ansieht und die Vorurteile weglässt. Dass zum Beispiel auch männliche Erzieher in der Gesellschaft als ganz normal angesehen werden. Dazu möchte ich als Erzieherin meinen Teil beitragen.
Es ist wichtig, dass man schon den Kindern vermittelt, dass es keine Unterschiede geben muss zwischen Mädchen und Jungen. Dass selbstverständlich auch Mädchen Fußball spielen können und die Jungs auch mit Puppen spielen. In der Teamarbeit darf es natürlich keine Vorurteile geben, und auch da sollte man von den typischen geschlechterspezifischen Aufgaben endlich absehen.

Wovor haben Sie mit Blick auf Ihre Ausbildung mehr Respekt oder vielleicht sogar etwas Angst, vor dem praktischen Teil oder der Theorie?

Ich denke, man möchte beides richtig gut machen. Bei mir ist die Schule 17 Jahre her, da wieder reinzukommen, das ist die größere Herausforderung. Das schöne ist, dass wir so einen guten Zusammenhalt in der Klasse haben. Da gibt es keine Konkurrenz, sondern wir unterstützen uns gegenseitig bei Schwierigkeiten.

Wenn das jetzt jemand liest, der auch überlegt, diesen Schritt zu machen, aber noch unsicher ist, was würden Sie der Person raten?

Auf jeden Fall wagen! Man sollte sich trauen, egal, wie alt man ist. Ich habe gedacht, ich wäre bestimmt die Älteste in der Klasse, aber das bin ich bei weitem nicht. Da war ich erstaunt, und ich finde es richtig gut, dass auch deutlich Ältere dabei sind. Es ist nie zu spät, etwas Neues auszuprobieren. Viele trauen sich nicht, möchten nicht mehr zur Schule. Aber wenn man so lange nicht mehr in der Schule war – bei mir sind das, wie gesagt, 17 Jahre – geht man das ganz anders an. Wenn man als junger Mensch in die Schule geht, dann scheint sich das ewig hinzuziehen, da hat man keine Lust mehr. Aber nach so einer langen Pause und mit einem Ziel vor Augen, da ist es ein neues Kapitel. Die Einstellung ist ganz anders. Es macht richtig Spaß.

Vielen Dank für das Interview!

(*)Träger der Maßnahme in Dortmund ist die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Bezirk Westliches Westfalen in Zusammenarbeit mit diversen Kooperationspartnern: Die Unterbezirke der AWO sowie der Eigenbetrieb der Stadt Dortmund FABIDO (Familienergänzende Bildungseinrichtungen für Kinder in Dortmund) stellen die 22 Ausbildungsplätze in ihren Kitas zur Verfügung. Die theoretische Ausbildung findet am Gisbert-von Romberg-Berufskolleg in Dortmund statt.