04.12.2017

„Diese Ausbildungsform ist nicht mehr wegzudenken“

Kirstin Fussan ist Leiterin der Abteilung III Jugend und Familie des Landesjugendamts in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft des Landes Berlin. Zudem leitet sie die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Fachkräftegewinnung Erzieherinnen und Erzieher“. Für eine qualitativ hochwertige Ausbildung fordert sie eine bessere Zusammenarbeit zwischen Lernort Schule und Lernort Praxis.

Foto: privat.

Welche Rolle spielt in Ihrem Tätigkeitsfeld die berufsbegleitende/praxisintegrierte, vergütete Erzieher/innenausbildung?

In Berlin ist die berufsbegleitende Ausbildung zur Erzieherin/zum Erzieher ein Hauptinstrument zur Fachkräftegewinnung. Neben der Ausbildung in Vollzeit hat diese Ausbildungsform in den letzten zehn Jahren stetig zugenommen und macht aktuell fast 44 Prozent an der Gesamtzahl der Studierenden in den Berliner Fachschulen für Sozialpädagogik aus. Insgesamt wird die berufsbegleitenden Teilzeitausbildung als sehr positiv wahrgenommen, da es eine erwachsenengerechte Ausbildungsform ist. Sie ermöglicht vor allem Menschen, die sich in ihrem 2. oder 3. Berufsleben für eine Tätigkeit als Erzieherin/Erzieher entscheiden, einen adäquaten Einstieg in den Beruf.

Problematisch wird von Einrichtungsseite die Anrechnung auf den Fachkräfteschlüssel vor allem im 1. Ausbildungsjahr gesehen. Da es sich um Beschäftige in einer berufsbegleitenden Ausbildung handelt, die bestimmte Tätigkeiten tatsächlich noch nicht eigenverantwortlich ausführen können, stellen sie im Praxisfeld auch noch keine 100-prozentige Entlastung dar, sondern benötigen – im Gegenteil – Anleitung der vor Ort tätigen Fachkräfte.

Jedoch wird über die Anrechnung der Beschäftigten auf den Personalschlüssel die Finanzierung der Personalkosten ermöglicht. Zudem ist in der gegenwärtigen Situation eine Anrechnung auf den Personalschlüssel erforderlich, um dem nochmals gestiegenen Fachkräftebedarf zu begegnen.

Welche guten Ansätze aber auch Schwierigkeiten sehen Sie bei der aktuellen berufsbegleitenden/praxisintegrierten, vergüteten Erzieher/innenausbildung in den einzelnen Bundesländern?

Grundsätzlich bewährt sich die in Berlin praktizierte berufsbegleitende Ausbildung. Wie schon erwähnt, handelt es sich um eine erwachsenengerechte Ausbildung, die den lebens- und berufserfahreneren Menschen durch die vergütete Beschäftigung den Einstieg in dieses Berufsfeld ermöglicht und erleichtert. Durch den Aufwuchs und die Bedeutungszunahme dieser Ausbildungsform in den vergangenen Jahren mussten in den letzten Jahren verschiedene Anpassungsmaßnahmen an rechtliche Rahmenvorgaben (z.B. Erhöhung der Stunden in der Teilzeitform) vorgenommen werden. Das hat u.a. auch dazu geführt, dass die zeitliche Belastung, und damit oftmals die Belastung überhaupt, für die Studierenden zugenommen hat.

Wie sehen aus Ihrer Sicht die wesentlichen Eckpunkte einer zukunftsfähigen, qualitätsvollen und professionellen berufsbegleitenden/praxisintegrierten, vergüteten Erzieher/innenausbildung aus?

Die Kooperation der Lernorte Schule und Praxis ist optimierbar; im Interesse einer qualitativ hochwertigen Ausbildung sollten die Lernorte stärker zusammenarbeiten und sich enger austauschen. Dies betrifft z.B. die Abstimmung von Schultagen oder eine engere Koordination bei den jeweiligen Bedarfen der Lernorte.

Welche Bedeutung wird Ihrer Meinung nach die berufsbegleitende/praxisintegrierte, vergütete Erzieher/innenausbildung in zehn Jahren haben?

Die berufsbegleitende Ausbildungsform wird weiter eine maßgebliche Größenordnung bei der Ausbildung zur Erzieherin/zum Erzieher haben. Der Anteil könnte in Berlin aufgrund des Fachkräftebedarfs kurzfristig noch weiter steigen. Wenn sich der Fachkräftebedarf wieder entschärfen sollte, sich also die Berufsperspektiven nicht mehr ganz so aussichtsreich darstellen, werden sich sicherlich auch wieder weniger Menschen für eine Erzieher*innenausbildung entscheiden. Wie hoch sich der Anteil derer in Teilzeitausbildung einpendeln wird, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Sicher ist jedoch, dass sie als Ausbildungsform nicht mehr wegzudenken ist.