Bestandsaufnahme – Perspektiven auf Quereinstiegswege in vergütete Ausbildungsformen und in den Beruf der Erzieherin/des Erziehers
In den letzten fünf Jahren erfuhren vergütete Ausbildungsformen zur Erzieherin/zum Erzieher einen deutlichen Zuwachs. Vor allem bisher weniger erreichte Personengruppen sind an vergüteten Ausbildungsformen interessiert, auch weil neben der Vergütung der Praxisbezug von Anfang an eine zentrale Rolle spielt.
Vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen hat die Koordinationsstelle „Chance Quereinstieg/Männer in Kitas“ eine Bestandsaufnahme erstellt. Dabei interessierte vor allem: Wer sind die Zielgruppen, wie sind die Zugangsvoraussetzungen in den Erzieher/innenberuf, und welche Rolle spielt dabei der Quereinstieg? Unter anderem wird auch nach Gründen für den Anstieg der vergüteten Ausbildungsformen gefragt.
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Dazu wurden umfangreiche Recherchen durchgeführt, die Ergebnisse der Studie über Voll- und Teilzeitausbildungsformen von Kratz und Stadler verwertet sowie Erfahrungswerte genutzt, die die Koordinationsstelle aus den Bundesmodellprogrammen „MEHR Männer in Kitas“ (2011-2013), „Lernort Praxis“ (2013-2016) und „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“ (2015-2020) gewonnen hat.
Andere Bundesländer – andere Chancen und Hürden
Ein wichtiges Ergebnis der Bestandsaufnahme ist, dass es in den einzelnen Bundesländern keine einheitlichen Regelungen gibt – weder für die Bezeichnung der Ausbildungsformen noch für die vergütete Ausbildung. Das belegen die Daten der aktuellen Bestandsaufnahme sehr deutlich. Für an der Erzieher/innenausbildung Interessierte sind die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Handhabungen teilweise undurchschaubar.
Das Problem ist, dass sich beispielsweise vergütete Ausbildungsformen in den einzelnen Bundesländern und an den einzelnen Fachschulen derart ausdifferenziert haben, dass zu befürchten ist, dass Interessierte auf dem Weg in die Ausbildung verloren gehen, weil sich der Zugang sehr komplex gestaltet. Das steht dem erklärten Wunsch entgegen, dem Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen, gerade in Zeiten, in denen etwa die Berliner Bildungssenatorin, Sandra Scheeres, den Beruf aufgrund des erhöhten Fachkräftebedarfs auf Bundesebene zum „Mangelberuf“ erklären lassen will.
Das erklärte Ziel der Bestandsaufnahme ist es, zu „sortieren“ und zu diskutieren, wie fachnahe und fachfremde Quereinsteiger/innen nicht nur erreicht werden, sondern auch selbst ihren Weg in vergütete Ausbildungsformen zur Erzieherin/zum Erzieher finden können. Zumal sowohl die Bundesländer als auch die Fachschulen innerhalb der Bundesländer unterschiedliche Bezeichnungen für die angebotenen Ausbildungsformen verwenden, und die gleiche Bezeichnung in verschiedenen Bundesländern nicht unbedingt identische Zulassungsvoraussetzungen oder Rahmenbedingungen beinhalten muss.
Ein wesentlicher Aspekt der Bestandsaufnahme ist die Untersuchung, welche Möglichkeiten es in den einzelnen Bundesländern für Quereinsteigende gibt, eine vergütete Ausbildung zu beginnen. Sie thematisiert die Unterschiede in den Bundesländern und geht dabei, wie auch die Website www.chance-quereinstieg.de, auf Spezifika und Gemeinsamkeiten der vergüteten Ausbildungsformen in den einzelnen Bundesländern ein.
Vergütete Ausbildungsformen im Aufwind – aber nicht überall
Wie schon zu Anfang erwähnt, hat die Teilzeitausbildung zur Erzieherin/zum Erzieher zugenommen. Ein Beispiel: In Berlin stieg laut dem Berliner Landesamt für Statistik der Anteil der Fachschüler/innen an der Teilzeitausbildung von 12 % im Schuljahr 2009/2010 auf 37,8 % im Schuljahr 2015/2016. Auch in Hamburg erhöhte sich der Anteil der Fachschüler/innen an der Teilzeitausbildung von 6,8 % im Schuljahr 2009/2010 auf 25 % im Schuljahr 2015/2016 (Landesamt für Statistik Hamburg). Ein mehr als vierfacher Anstieg des Anteils der teilzeitschulischen Fachschüler/innen ist in Schleswig-Holstein innerhalb von zwei Jahren zu verzeichnen; von 2,8 % im Schuljahr 2013/14 auf 12,2 % im Schuljahr 2015/16 (Landesamt für Statistik Schleswig-Holstein). Sachsen ist das einzige Bundesland, in dem der Anteil der Fachschüler/innen an der Teilzeitausbildung seit mehreren Jahren sinkt. Der Anteil fiel von 25,3 % im Schuljahr 2010/11 auf 11,3 % im Schuljahr 2015/16. Die Gründe sind nicht klar, zumal auch das Bundesland Sachsen den Kita-Trägern den Anreiz bietet, Fachschüler/innen der integrierten Ausbildungsform auf den Personalschlüssel anzurechnen.
Der Anstieg der Ausbildungsplätze in Praxisintegrierten und vergüteten Ausbildungsformen ist ein Ergebnis vielfältiger Entwicklungen, wie zum Beispiel den Erkenntnissen der hochschuldidaktischen und lerntheoretischen Diskussionen und der damit verbundenen Aufhebung der Trennung von Theorie und Praxis oder dem Ausbau der Kindertagesbetreuungsplätze und dem damit im Zusammenhang stehenden Fachkräftebedarf. Zudem haben die Bundesländer ihrerseits diverse (bildungspolitische) Maßnahmen wie Schulversuche, Weiterbildungsqualifzierungsangebote oder die Anrechnung der Fachschüler/innen auf den Personalschlüssel ergriffen, um die Attraktivität der Erzieher/innenausbildung zu erhöhen, neue Zielgruppen zu erreichen und damit auch dem Fachkräftebedarf nachzukommen. Doch auch hier gilt nicht Gleiches für alle: In Thüringen beispielsweise ist eine Anrechnung der teilzeitschulischen Fachschüler/innen auf den Personalschlüssel nicht möglich, auch nicht in Mecklenburg-Vorpommern.
Positive Bilanz für Männer
Die vergütete Teilzeitausbildung zieht auch mehr Männer in den Beruf. In einigen Bundesländern, wie Berlin, Brandenburg, Hamburg, Sachsen und Schleswig-Holstein, ist der Männeranteil in den Praxisintegrierten und vergüteten Teilzeitausbildungen gestiegen: beispielsweise mit 4,1 Prozentpunkten in Berlin und 12,2 Prozentpunkten in Sachsen. In Baden-Württemberg sieht es schon wieder anders aus: Hier fällt der Männeranteil insbesondere in der Praxisintegrierten Ausbildung (PIA) mit 14,9 % im Schuljahr 2015/16 höher aus als in der traditionellen Vollzeit- sowie Teilzeitausbildung. In der Teilzeitausbildung liegt der Männeranteil bei lediglich 3,4 %.
Auch Ländervertreter/innen wurden zu den verschiedenen Ausbildungsmodellen befragt: Sie heben besonders die außerordentliche Motivation und das Engagement der angehenden Erzieher/innen in den vergüteten Ausbildungsformen hervor. Eine Erfahrung, wie sie auch die Koordinationsstelle im Rahmen der inhaltlichen Begleitung der Bundesprogramme „Lernort Praxis“ und „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“ gesammelt hat und ebenso in der Studie von Kratz und Stadler (2015) nachzulesen ist. Konsens ist, dass berufs- und lebenserfahrene angehende Erzieher/innen nicht nur die Kita-Praxis bereichern, sondern auch den Unterricht am Lernort Schule positiv mitgestalten.
Erzieher/innenberuf im Wandel
Ein weiteres Kapitel der Bestandsaufnahme widmet sich der Erzieher/innenausbildung im Wandel und der steigenden gesellschaftlichen Anerkennung des Berufes. So erhöhte sich die Anzahl der Fachschulen für Sozialpädagogik in den letzten zehn Jahren von 400 auf 626 Einrichtungen und die jährliche Absolvent/innenanzahl stieg von rund 15.000 auf 25.800 an. Seit 2007/08 ist die Anzahl d erer, die die Fachschulausbildung beginnen um 72 % gestiegen. Ebenfalls hat die Ausweitung der beruflichen Weiterbildung, die erwerbslosen Personen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen eine Weiterbildung oder Umschulung zur staatlich anerkannten Erzieherin oder zum staatlich anerkannten Erzieher mittels eines Bildungsgutscheins ermöglicht, zu einem Anstieg der Quereinsteiger/innen in vergüteten Ausbildungsformen geführt. Wobei nicht jedes Bundesland diese Möglichkeit zur Gewinnung von Quereinsteiger/innen im gleichen Maße nutzt. Auch das ESF-Bundesmodellprogramm „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“ hat zu erhöhter positiver Aufmerksamkeit beigetragen. Zudem haben gewerkschaftliche Bemühungen zu einer für die Fachkräfte positiven Einkommensentwicklung im Arbeitsfeld geführt, das Einkommen von Erzieher/innen ist seit 2009 um etwa 20 % angestiegen. Im jährlichen Reputationsranking der Berufe von Forsa und des Deutschen Beamtenbundes nimmt der Erzieher/innenberuf regelmäßig einen der vorderen Plätze ein.
Die Zukunft sichern
Auch einige (Kita-)Träger haben die Vorteile der vergüteten Ausbildung erkannt, unter anderem, um für den eigenen Nachwuchs zu sorgen. Manche gehen sogar so weit, dass sie diesen Fachschüler/innen mehr Gehalt zahlen, um die qualifiziertesten für sich zu gewinnen.
Mit der vorliegenden Bestandsaufnahme möchte die Koordinationsstelle „Chance Quereinstieg/Männer in Kitas“ zur besseren Übersicht beisteuern und Wege in vergütete Ausbildungsformen aufzeigen – besonders für Quereinsteigende. Denn Erzieher/innensind gefragt – und alle, die sich für den Beruf interessieren, sollen auf dem Weg in eine mögliche Ausbildung nicht verloren gehen.
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