18.09.2017

Linke

Interview mit Norbert Müller, Kinder- und Jugendpolitischer Sprecher der Partei Die Linke, Mitglied im Familienausschuss und der Kinderkommission des Deutschen Bundestages.

Welche Ziele verfolgen Sie hinsichtlich der Deckung des enormen Fachkräftebedarfs in den Tageseinrichtungen für Kinder, und welche konkreten Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung und -bindung würden Sie in Regierungsverantwortung nach der Bundestagswahl einleiten?

Zusammen mit den Gewerkschaften und Fachverbänden fordern wir eine deutliche Verbesserung des Betreuungsschlüssels. Bereits jetzt haben viele Einrichtungen jedoch Schwierigkeiten, ausgeschriebene Stellen zu besetzen. Daher bedarf es vielerlei Anstrengungen: Zum einen sollte der Erzieherberuf analog zu den Pflegefachkräften bundesweit als Mangelberuf eingestuft werden, das würde bspw. Umschulungen enorm erleichtern.

Das wesentliche Manko des Berufs ist jedoch die Bezahlung. Hier braucht es eine deutliche Aufwertung.

Die Bekämpfung des Fachkräftemangels durch die Schröpfung von Ausbildungsstandards und die Erfindung neuer Turbo- Ausbildungen lehnen wir hingegen ab.
In meiner Zeit als Vorsitzender der Kinderkommission habe ich genau dieses Thema auch in den parlamentarischen Rahmen gehoben. Einen Teil der Forderungen konnten wir dann parteiübergreifend als Kommission verabschieden.
Siehe hierzu die einstimmig verabschiedete Stellungnahme:
https://www.bundestag.de/blob/516396/ca509aadf2ff0b7f0ece8545b914475c/stellungnahme_kinder-_und_jugendhilfe-data.pdf

Welche Bedeutung messen Sie den bisher unterrepräsentierten Personengruppen (u.a. Männer, Menschen mit sog. Migrationshintergrund) im Arbeitsfeld Kindertageseinrichtungen bei, und welche Möglichkeiten der Gewinnung sehen Sie gegenwärtig und in der Zukunft?

Dieser Mangel besteht ohne Zweifel. Ich glaube, gezielte Werbemaßnahmen an genau diese Gruppen wären geeignet, ihn mittelfristig zu beheben. Gerade um Männer langfristig in der KiTa zu etablieren, müssen zudem die mittelalterlichen Rollenklischees aufgebrochen werden, welche Kindererziehung als „Frauenaufgabe“ verorten. Das kann gar nicht früh genug beginnen und jeder Mann mehr in einer Einrichtung tritt quasi den Gegenbeweis an. Genauso müssen wir uns stärker an Quer- und Wiedereinsteiger_innen wenden.

Wie stehen Sie zu vergüteten Modellen in der Ausbildung von Erzieher/innen? Welche Perspektiven und Wege der Unterstützung von vergüteten Ausbildungsmodellen sehen Sie auf Bundesebene, besonders auch im Kontext des Bildungsföderalismus?

Die bereits angesprochene geringe Wertschätzung durch geringe Entlohnung fängt leider schon bei der Ausbildung an. Vielerorts müssen angehende Erzieher_innen sogar zuzahlen. Das sind unhaltbare Zustände. Hier müssen neue Ansätze gefunden werden. Das von Ihnen durchgeführte Modellprogramm erscheint hier umso spannender.

Um die gewaltigen Aufgaben, die sich im Rahmen des KiTa-Ausbaus stellen, auch bewerkstelligen zu können, streiten wir für ein Aufweichen des Kooperationsverbots. Der Bund wälzt derzeit fast alle Kosten auf Kommunen und Eltern ab, profitiert aber gleichzeitig von den Auswirkungen des Ausbaus. Da auch in den kommenden Jahren mit einem steigenden Bedarf seitens der Eltern zu rechnen ist, muss der Bund hier stetige und bedarfsgerechte finanzielle Unterstützung leisten, Einmalinvestitionen werden hier nicht reichen.