30.05.2018

Qualität – das Wichtigste auf allen Ebenen

Positionen und Erfahrungen der Projektträger im ESF-Bundesmodellprogramm „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“. Interview mit Julia Hirt aus Darmstadt

Foto: privat

Die Koordinationsstelle „Chance Quereinstieg/Männer in Kitas“ hat ein schriftliches Interview mit Julia Hirt von der ASB Lehrerkooperative geführt. Sie ist Gesamtkoordinatorin im ESF-Bundesmodellprogramm „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“* der ASB Lehrerkooperative in Frankfurt und leitet eine Kindertageseinrichtung in geteilter Stelle. Julia Hirt ist staatlich anerkannte Erzieherin, Kindheitspädagogin (B.A.), Beraterin in Organisationsentwicklung und Sozialfachwirtin.

Frau Hirt, die Modellprojekte im Modellprogramm „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“* haben im November 2017 das Zwischenergebnis ihrer Arbeit vorgestellt. Darin formulieren sie Handlungsempfehlungen, die sich auf drei Bereiche beziehen: Finanzierung, Ausbildungsorganisation und Curriculum, sowie Lernortkooperation. Welche Rolle spielt das Thema „Qualität der Ausbildung von Quereinsteiger/innen“ in den einzelnen Bereichen?

Qualität ist aus meiner Sicht das wichtigste Thema auf allen Ebenen. Wir bilden Menschen aus, die das wichtigste Gut, unsere Kinder, betreuen und bilden. Der Mangel an Fachkräften ist für die Einrichtungen und somit auch für die Entwicklung der Qualität ein großes Problem. Die Finanzierung der Ausbildung im Modellprogramm bietet den Trägern die Möglichkeit, unterschiedlichste Personengruppen anzusprechen und Menschen die Möglichkeit zu geben, eine Ausbildung zu absolvieren, für die eine Ausbildung sonst nicht möglich gewesen wäre. Die Träger können damit, neue  Fachkräfte, Menschen mit Lebens- und Berufserfahrung, die die Kitas bereichern,  an sich binden.

In unserem Modellprojekt zeichnen sich die Ausbildungsorganisation, das Curriculum sowie die Lernkooperation durch Praxisnähe aus. Diese direkte Verbindung zwischen Theorie und Praxis ist aus meiner Sicht ausschlaggebend für Qualität. Oft sieht es in den Kitas ganz anders aus als es die Theorie sagt. Im Modellprogramm  „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“  haben die Teilnehmer/innen die Möglichkeit die Theorie direkt in der Praxis anzuwenden und die Praxis direkt auf Grundlage von Theorien zu reflektieren.

Wie müssen die Akteure der Ausbildung finanziell und personell ausgestattet sein, um diese Standards umsetzen zu können?

Eine gute Ausstattung sollte auf vielen Ebenen gewährleistet sein. Die Ausbildungsplätze müssen mit geeigneten Personen besetzt werden, dies erfordert eine genaue Auswahl unter den Bewerber/innen. Die Bezahlung der Teilnehmer/innen muss eine Lebensgrundlage bieten. Außerdem ist es sehr wichtig, die Studierenden während der Ausbildung zu begleiten, bei den Herausforderungen in Praxis und Schule zu beraten, zu motivieren oder auch zu unterstützen. Der Lernort Praxis und der Lernort Schule sollten im ständigen Austausch bleiben und das Curriculum stetig weiterentwickeln. Hierzu braucht es Koordinator/innen in Praxis und Schule, die diese Aufgaben übernehmen können. In den Kindertageseinrichtungen sind gute Fachkräfte wichtig, die den Studierenden eine qualitativ hochwertige Anleitung geben können. Die Anleitungen benötigen für diese Aufgabe Zeitressourcen, die sie für Anleitungsgespräche und Anleitungstreffen, sowie Fortbildungen aus dem Gruppendienst freistellen. Die personelle Ausstattung in den Einrichtungen ist ausschlaggebend für das Gelingen einer hochwertigen Ausbildung in der Praxis.

Im Diskussionspapier wird an verschiedenen Stellen erwähnt, dass die regionalen Rahmenbedingungen zwischen den Projektstandorten sehr unterschiedlich sind. Nicht jedes Ergebnis sei bundesweit oder sogar auch innerhalb eines Bundeslandes übertragbar. Ihr Projekt in Frankfurt wurde um einen weiteren Jahrgang verlängert. Auch in Wiesbaden finanziert die Stadt einen weiteren Durchgang. Wie kam es dazu? Und: Wie könnte eine landesweite Verstetigung einer berufsbegleitenden vergüteten Erzieher/innenausbildung in Hessen befördert werden?

An erster Stelle wäre eine tarifliche Regelung zur Ausbildungsvergütung eine sehr wichtige Voraussetzung. Bei der Berechnung der Fachkraftstellen muss die Begleitung der Studierenden mit einberechnet werden. Lernende müssen in den Stellenschlüsseln on Top sein und somit einen Bonus für die Einrichtung darstellen. Auch sollten die Praxisanleiter/innen für ihre Anleitungszeiten frei gestellt werden. Ich denke, an dieser Stelle sollten wir die Gewerkschaften und die Politik mit ins Boot holen. Auch spielen die Ministerien eine entscheidende Rolle, denn diese können eine Ausbildung dieser Art standardisieren und somit den Fachschulen und Trägern mehr Möglichkeit der gemeinsamen Ausbildungsgestaltung geben. Auch hier sollten alle Beteiligten immer wieder an einen Tisch. Der Austausch zwischen Schule, Träger, Schulämtern, Ministerien und Politik ist aus meiner Sicht die größte Gelingensbedingung. Nur wenn an dieser Stelle miteinander gesprochen wird und für Schwierigkeiten gemeinsam Lösungen gefunden werden, können wir diese Form der Ausbildung etablieren und stetig weiter entwickeln.

DANKE für die Beantwortung der Fragen!

* Im Rahmen des ESF-Bundesmodellprogramms „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“ fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in den Jahren 2015 bis 2020 bundesweit Projekte aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF), die für die besondere Zielgruppe der Berufswechslerinnen und Berufswechsler erwachsenengerechte und geschlechtersensible Ausbildungsmöglichkeiten zur/zum staatlich anerkannten Erzieherin/Erzieher schaffen oder weiterentwickeln. Im Programm werden die Fachschülerinnen und Fachschüler parallel zu ihrer Ausbildung in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis in einer Kita beschäftigt und erhalten eine angemessene Vergütung.