30.05.2017

Von einer, die auszog, Erzieherin werden zu wollen

Umwege aufgrund unterschiedlicher Zulassungsbedingungen – Ein Erlebnisbericht.

Foto. privat. Vom "KidZ Camp", das Birgit Lehnert selbst entwickelt hat.

Birgit Lehnert lebt in Niedersachsen, an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen. Von Beruf ist sie Schneiderin und hat lange Jahre selbstständig gearbeitet. Bereits 2004 war sie gewillt eine Umschulung zur Erzieher zu machen, allerdings wollte das Arbeitsamt aufgrund der damaligen Fachkräftesituation keine Umschulung gewähren. Mit Mitte 40 entschied sie sich 2015 endgültig dazu, ihr berufliches Leben noch einmal neu aufzustellen. Sie gab ihre Selbständigkeit auf und wollte Erzieherin werden. Die Agentur für Arbeit konnte ihr dabei nicht helfen, da sie keine Empfängerin von Arbeitslosengeld war und deswegen eine Umschulung über den Bildungsgutschein nicht in Frage kam. Sie hätte zwar das Aufstiegs-Bafög (ehemals Meister-Bafög Anm. d. Red.) für den Besuch einer Fachschule für Sozialpädagogik erhalten. Aber da viele Schulen kostenpflichtig sind, sie in der Zeit kein Geld verdient hätte und ein Teil des Aufstiegs-Bafög zurückgezahlt werden muss, konnte sie sich diese finanzielle Alternative nicht leisten.

Weil sie in Niedersachsen lebt und Niedersachsen eines der wenigen Bundesländer ist, die eine Sozialassistenz-Ausbildung als Zugang zur Fachschule für Sozialpädagogik vorschreibt, entschloss sie sich auf Empfehlung an einer Berufsbildenden Schule (BBS) die einjährige berufsfachschulische Ausbildung zur Sozialassistentin zu absolvieren. Da sie das Abitur hat, konnte sie die eigentlich zwei Jahre dauernde Ausbildung verkürzen. Ein Anfang war gemacht.

In der Zwischenzeit hatte sie von dem ESF-Bundesmodellprogramm „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“ gehört. Eine vergütete Ausbildungsform, in die sie ein Paket an Lebens- und Berufserfahrung mitbringen konnte, zudem hatte sie noch zwei eigene Kinder und ein Tageskind erzogen, erschienen ihr eine gute Option.

Ihre Vorfreude war groß. Doch das sollte nicht lange anhalten. Damals wurde das Bundesmodellprogramm nur in Nordrhein-Westfalen, Berlin, Schleswig-Holstein und Hessen angeboten. (Das Bundesmodellprogramm wird mittlerweile in sechs Bundesländern durchgeführt, insgesamt sind nun 12 Modellprojekte beteiligt. Niedersachsen nimmt nach wie vor nicht daran teil Anm. d. Red.). Da sie aber in Niedersachsen wohnte, bewarb sie sich in NRW.

Die Ernüchterung erfolgte gleich beim ersten Telefonat. Mit ihren 600 Praktikumsstunden während der Ausbildung zur Sozialassistentin lag sie für die Zulassung zur Erzieher/in-Ausbildung in NRW 300 Stunden unter den landesspezifischen Anforderungen, um an dem Programm teilnehmen zu können.

Sie rief in Schleswig-Holstein an. „Wenn Sie die einjährige Quereinsteiger-Qualifikation zur Sozialassistentin gemacht haben, dann sind Sie nicht mehr berufsfremd!" sagt die Ansprechpartnerin am Telefon. Birgit Lehnert gab zur Überlegung: „Und was ist, wenn wir so tun, als hätte ich von Oktober bis Juni faul auf dem Sofa gesessen?“ Sie bekam zur Antwort: „Ich habe meine Ausbildung zur Erzieherin auch als Alleinerziehende aus eigener Kraft geschafft!“. Obwohl die Antwort richtig war, wie sie heute weiß, wurde sie auch hier nicht über weitere Möglichkeiten informiert. Sie merkte nur, die Anforderungen zur Erzieher/in-Ausbildung aufgenommen zu werden, sind von Bundesland zu Bundesland verschieden.

Heute weiß sie, dass nur Berufswechsler/innen gefördert werden, die fachfremd sind. Ihre Ausbildung zur Sozialassistentin stand der Quereinstiegs-Ausbildung im Rahmen des Bundesmodellprogramms im Wege. Schon in Dortmund (NRW) hätte sie selbst mit 900 Stunden Praxiserfahrung deswegen nicht teilnehmen können.

Sie hätte ihre Suche noch nach Wiesbaden und Berlin ausdehnen können, aber dazu war sie zu entmutigt. Doch wie sollte es für sie weiter gehen?

Sie hat dann beschlossen, einen anderen Weg einzuschlagen und zu studieren. Birgit Lehnert studiert mittlerweile Pädagogik der Kindheit an einer Fachhochschule in Nordrhein-Westfalen. Sie jobbt nebenher, ihr Mann konnte seine 20-Stunden-Stelle auf 30 Stunden für ein Jahr aufstocken. Sie ist aber so beschäftigt mit dem Studium, dem täglichen Pendeln zur Universität und zurück und ihrem Nebenjob, dass sich noch nicht auf ein Stipendium bewerben konnte, welches die finanzielle Situation entlasten könnte.

Die Teilnahme am ESF-Programm und eine bezahlte Ausbildung wären eine sehr gute Option gewesen. So müssen ihr Mann und sie „kleine Brötchen“ backen, um über die Runden zu kommen.

Birgit Lehnert  will ihr Studium erfolgreich beenden. Ihr Ziel ist es, später eine Leitungsposition zu haben oder in einem Jugendamt zu arbeiten. Sie kann nur über Stipendien versuchen, sich zusätzliche finanzielle Unterstützung zu holen. Praktika werden bislang in der Regel nicht bezahlt. Für das Anerkennungsjahr wird sie sich ein Bundesland suchen, in dem sie ausreichend vergütet wird. Trotz vieler Widerstände hat sie schon Einiges erreicht und will die Hoffnung, ihren Traum zu erfüllen, nicht so schnell aufgeben.